“Keine Zeit, keine Zeit” schreit mich das weiße Kanninchen an und zieht eine furchteinflößende Fratze. Ich erschrecke. Plötzlich lacht es, greift mit den Pfoten nach meiner Uhr und wirft sie den See. Ich sehe zu, wie sie in der tiefblauen Unendlichkeit versinkt. Das Kanninchen drückt mir ein Bier in die Hand. “Trink mich” steht darauf. “Die Zeit, vergiss sie. Sie hat keine Macht an diesem Ort!”, ruft es, während es davonspringt.

Etwas ratlos beginne ich umher zu wandern. Nippe dabei an dem Bier. Keine Zeit, kein Ziel. Ungewohnt. “Ich kann doch nicht einfach nur existieren”, denke ich. “Ich muss doch etwas tun! Morgen früh aufstehen. Soviel zu tun.”

Die Gedanken beginnen zu kreisen. Ich beginne schneller zu gehen. Immer wilder wird der Gedankentanz in meinem Kopf, der Verstand bäumt sich auf.

Einen Moment wird das Gefühl, dass gerade erblühen will unterdrückt. Dann erstrahlt es plötzlich in euphorischer, in seiner Euphorie fast wahnsinnigen Pracht und die Welt beginnt zu Leuchten. Bam.

Ich schüttele mich und ergreife die Hand, die mir gereicht wird. Von dem Elfenmann, in den ich eben noch hineingelaufen bin. Er hilft mir hoch. Grinst breit und lüftet mit einer kleinen Verbeugung einen zerknautschten Zylinder. Ich entschuldige mich. Er lacht, schweigt. Seine Augen funkeln amüsiert und plötzlich spüre ich seine Hand über meine Wange streichen. Ich fasse mit meinen Fingern an die Stelle, die eben noch seine Hände berührte. Nehme sie weg und entdecke glitzerndes Pulver auf meinen Fingerspitzen.

Er kommt ganz nah an mich ran. “Feenstaub” flüstert er mir ins Ohr. “Nur für dich.” Ich kann mir ein Grinsen nicht verkneifen (warum auch? fragt das Gefühl) und scherze “Hier laufen bestimmt noch 20 andere Mädchen rum, die dein Zeichen tragen.”

Er tippt sich mit dem Zeigefinger auf die Nasenspitze: “Wenn, dann wären es 20 zuckersüße Jungs.” Und er löst sich in Luft auf. Sein unglaublich breites Grinsen bleibt noch ein paar Augenblicke alleine in der Luft schweben, ehe es verpufft.

Ich gebe auf. Lasse mich treiben. Falle in ein buntes Meer aus Menschen. Musik. Der Herzschlag der Welt setzt ein und pulst durch die Nacht. Den Tag? Ich weiß es nicht, es ist mir auch egal, ich schwinge im Rhythmus, lasse mich von beruhigenden, berechenbaren Beats tragen um kurz darauf von schlimmsten, ungebändigten rohen Arrhythmien fröhlich gejagt zu werden, tanze, meine Füße stampfen, ungefragt, und mein Körper glüht.

Um mich herum glückliche Gesichter, ekstatisch verzerrt. Ein harmonisches Synchronstampfen, tanzen, Wirbeln. Zigaretten glühen kurz in der Dunkelheit auf um Sekunden später zu erlöschen. Die Welt ist perfekt, der Augenblick unendlich. Loslassen. Die Realität, wie wir sie kennen.

Hier ist die Realität Existenz. Musik. Bewegung. Zuckende Körper. Harte Schläge peitschen auf meine Trommelfelle ein, die sich vor Ekstase winden. Die Beine geben die Schläge an den Boden weiter, er muss jetzt sterben. Um ewig weiterzuleben.

Die Gesichter treiben durch die Nacht, glitzernd, funkelnd, wie meines. Mir wachsen Flügel und ich fliege zum Berg, der im Erdmittelpunkt steht. Er küsst mich. Ich gebe ihm Feuer.

(überliefert vom Zirkuskind im September 2013)