Berliner Clubszene: Was kommt nach Corona?

Die Corona-Pandemie hat den Berliner Clubs wirtschaftlich extrem zugesetzt. Zwar konnten bereits beim ersten Lockdown ab März 2020 einige Clubs Corona-Hilfen erhalten und es sind zum Teil auch Spenden geflossen und Mitarbeiter konnten Kurzarbeitergeld beantragen, jedoch hat spätestens der zweite Lockdown den einen oder anderen Club-Betreiber wirtschaftlich zur Strecke gebracht. Die monatlichen Fixkosten sind für viele einfach zu hoch. Die Folge: Reihenweise Schließungen, etliche Mitarbeiter mussten mittlerweile Hartz 4 beantragen. Das betrifft neben den Clubs auch einen großen Teil der Restaurants und Bars. Weitere Einschränkungen für Casinos, Theater, Kinos und Konzertveranstalter kommen hinzu.

Dass die Clubs so schnell wieder uneingeschränkt öffnen können, ist derzeit nicht abzusehen. Pamela Schobeß, Vorsitzende der Berliner Clubkommission und selbst Betreiberin des angesagten Clubs „Gretchen“ sagte kürzlich in einem Interview mit rbb24, „Wir sind die Ersten, die geschlossen wurden, und die Letzten, die wieder öffnen dürfen“. Sie persönlich rechne erst Ende 2022 wieder mit einem normalen Nachtleben in Berlin. So lange verhindern, Verbote, Abstandsregeln und Hygienekonzepte das ausgelassene Feiern der Partyjünger und somit auch einen normalen Geschäftsbetrieb in den Berliner Clubs.

Hoffnung auf Teilöffnungen im Sommer

Einige andere Clubbetreiber wie Techno-Pionier Dimitri Hegemann vom Tresor versucht die Situation positiver zu sehen, trotz der großen wirtschaftlichen Schwierigkeiten: „Wir wirtschaften

genau und kalkulieren sehr hart. Wir gehen von weiteren Hilfsprogrammen aus und hoffen, dass im Juli die Sonne wieder scheint.“ Er spielt damit auch auf die Hilfen von Bund und Ländern an, die bis Ende Juni 2021 erst einmal weiter beantragt werden können. Ohne die Hilfen von Bund und Ländern geht es jedoch überhaupt nicht. Konstantin Krex, Mitbetreiber des „Kater Blau“ sagte kürzlich, ebenfalls in einem Interview mit rbb24: „Die Situation ist bitter, weil man nicht machen kann, was man liebt. Und weil es keine verlässliche Perspektive gibt. Man guckt von der Seitenlinie zu, wie sich die Schulden anhäufen.“

Insgeheim hoffen die Betreiber, dass sie demnächst, sollten das Wetter und die Corona-Fallzahlen mitspielen, dass zumindest noch vor dem Sommer wieder Teilöffnungen in den Außenbereichen möglich sein werden. Eine vollständige Öffnung mit der sonst gewohnten Freiheit, da sind sich die meisten Betreiber jedoch einig, wird es hingegen so schnell nicht wieder geben.

Große Pleitewelle erwartet

Die bisherigen Hilfen wurden jedoch nicht jedem Club in Berlin zu Teil, da es auch viele neuere Projekte gab, die angesichts fehlender Zahlen in den Jahren zuvor kaum Hilfen vom Staat beantragen konnten. Ein Großteil von denen hat bereits aufgegeben.

Laut einer Befragung des Gaststätten- und Hotelverbandes DEHOGA sind aktuell sogar 94 % der Berliner Clubs akut von der Pleite bedroht. Corona hat bei vielen Betreibern dabei nur das Fass zum Überlaufen gebracht. Auch schon vorher gab es erhebliche Probleme. Konkret: Mieten wurden extrem erhöht und Mietverträge wurden oder werden nicht verlängert, da Investoren, die einst brach liegenden Flächen, auf denen viele Clubs errichtet wurden angesichts der explodierenden Immobilienpreise anders verwerten wollen. Demgegenüber steht die Nachfrage nach Wohnraum in Berlin, der Platz braucht.

Bestes Beispiel ist das Gelände des des ehemalige Reichsbahnausbesserungswerks, kurz RAW, in Berlin-Friedrichshain. Hier manifestiert sich kaum an einem anderen Ort in Berlin der Konflikt zwischen Kultur und den finanziellen Interessen von Investoren. Jahrelang hatte sich kaum jemand für das Gelände interessiert, sodass eine bunte Mischung aus Clubs, Bars und Galerien sowie andere kulturelle Einrichtungen entstehen konnte. Hier soll ein neues Stadtquartier entstehen, in denen kaum Platz für die gewachsene Klubkultur sein dürfte. Die Clubs sind dabei Opfer ihres eigenen Hypes geworden. Die Clubs haben die Stadt für Gäste aus dem in- und Ausland attraktive gemacht. Die Attraktivität der Stadt zog die Investoren an, die ihrerseits wiederum möglichst schnell viel Geld machen wollen.

Trend zu illegalen Partys

Die weitgehenden Öffnungsverbote für die Berliner Clubs, die auch noch weit in das Jahr 2021 hineinreichen dürften, können die Feierlaune der Partygänger jedoch keineswegs unterbinden. Das hat sich bereits im Sommer 2020 gezeigt, als viele einfach in den Parks und auf den Plätzen der Stadt zusammengekommen sind und spontan feierten. Leider geschah das vielerorts unter Missachtung der Abstandsregeln und in den meisten Fällen waren die Zusammenkünfte angesichts der schieren Anzahl der Teilnehmer illegal.

Die feierwütige Jugend hat sich darauf hin zum Buhmann der Nation gemacht und damit auch dem Ansehen der Berliner Clubs geschadet, die sozusagen zu Corona-Brutstätten abgestempelt wurden. Das alles wird die Neuöffnung vieler Berliner Clubs nach Corona wohl noch schwieriger machen.

Die Fronten wirken zunehmend verhärtet. Auf der einen Seite stehen die Verantwortlichen in der Politik, die wie zuletzt eher uneins und planlos agieren und auf der anderen Seite eine von den Lockdowns und Kontaktbeschränkungen zunehmend mehr frustrierte Jugend, die sich nach der alten Freiheit sehnt und dabei mittlerweile auch entschlossen ist, sich über die ständigen Verbote, so sinnvoll sie aus epidemiologischer Sicht auch seien mögen schlichtweg hinwegsetzt.

Selbst wenn die Clubs in den Außenbereichen wieder öffnen dürfen, wird sich das illegale Partymachen in der Öffentlichkeit wohl auch in 2021 noch weiter manifestieren, da Hygienekonzepte in den Clubs wie „Sitzen erlaubt, aber Tanzen verboten“ den Clubs kaum weiterhelfen dürften.

Israel als Vorbild

In Israel ist bereits ein Großteil der Bevölkerung geimpft. Hier sind Partys und Kino inzwischen sogar wieder erlaubt. Voraussetzung ist, dass sie Teilnehmer beziehungsweise Besucher eine Impfung nachweisen können, was einer De-facto-Impfpflicht gleichkommt. Eine generelle Impflicht selbst ist zwar hierzulande kaum vermittelbar, aber es wird wohl auch hierzulande letztendlich so kommen, dass Geimpfte schneller wieder am kulturellen Leben teilhaben können. Eine zügigere Impfung in Deutschland könnte daher auch für die Clubs der Beginn eines Neuanfanges bedeuten.

Bei einer Spielsucht sind Beratungsstellen häufig erste Anlaufstellen für Hilfesuchende. Hier findest du Hilfe.