Ein Entschließungsantrag für die Beschlussempfehlung des Ausschuss für Bau, Wohnen, Stadtentwicklung und Kommunen für das Baulandmobilisierungsgesetz von CDU/CSU und SPD fordert, dass die Bundesregierung die Baunutzungsverordnung dahingehend anpasst, dass Clubs und Livespielstätten mit nachweisbarem kulturellen Bezug nicht mehr als Vergnügungsstätten, sondern als Anlagen für kulturelle Zwecke definiert werden.

Im letzten Jahr gründete sich durch Abgeordnete von GRÜNEN, LINKE, FDP, SPD und CDU/CSU das “Parlamentarische Forum Clubkultur & Nachtleben” im Bundestag, um fraktionsübergreifend dem Thema mehr Rückhalt und Sichtbarkeit zu geben. Ein erstes, wichtiges, gemeinsames Anliegen ist, u. a. die Baunutzungsverordnung (BauNVO) zu novellieren und in einem ersten Schritt die baurechtliche Anerkennung von Musikclubs als Kulturorte zu erwirken. Mit einer Fachanhörung, vielerlei parlamentarischen Initiativen und Aufforderungen an Bundesbauminister Horst Seehofer und dem damit betrauten Fachministerium soll die gesellschaftlich vollkommen überholte Einstufung im Baurecht überwunden werden.

Die entscheidende Sitzung im Bauausschuss fand am 05. Mai 2021 statt und erbrachte sehr zur Freude der im Prozess begleitenden Interessenvertreter:innen der LiveKomm – dem Bundesverband der Musikspielstätten in Deutschland e.V. – eine Entscheidung zugunsten der Clubkultur. Der Antrag wurde im Ausschuss fast einstimmig beschlossen und geht als Beschlussempfehlung am morgigen Freitagmittag unter TOP 36 in die Abstimmung im Plenum.

Demnach würden Musikclubs mit Fokus auf Künstler:innen, Nachwuchs und Programmkuratierung künftig baurechtlich nicht mehr mit Spielhallen, Wettbüros, Sex-Kinos und Bordellen als Vergnügungsstätten eingestuft, sondern mit Theatern, Opern, Museen und Konzerthäusern als Anlagen kultureller Zwecke gleichwertig angesehen. Damit wird auf Bundesebene im Bereich der Stadtentwicklung ein erster Meilenstein erzielt, der nach einer erfolgten Umsetzung, Neugründungen und Umsiedlungen von Musikclubs begünstigt und eine starke symbolhafte Signalwirkung auf die Bundesländer und Kommunen entfalten wird.

Die Belange von Clubkultur und Musikclubs fanden bis dato im Baurecht in der Bundespolitik selten umfassend eine Berücksichtigung, obwohl sie sich in den vergangenen Jahrzehnten zu einem wichtigen Bestandteil der kulturellen Vielfalt in Deutschland entwickelt haben. Diese „Nicht-Anerkennung“ als schützenswerte und förderungswürdige Kultur führt zu Herabstufungen der Clubkultur in vielen Bereichen der Rechtsprechung, Politik und Verwaltung von Bundes- auf Landes- und Kommunalebene. So auch im Feld der Stadtentwicklung. Dort gelten Musikclubs in der Baunutzungsverordnung (BauNVO) bis dato als Vergnügungsstätten. Durch diese Kategorisierung sind Musikclubs nur in wenigen städtebaulichen Gebieten zulässig und werden als nicht besonders schützenswert vor der Verdrängung durch bspw. Investoren und herannahender Bebauung angesehen. Dabei ist insbesondere die Entwicklung und der Schutz von Kulturräumen vor Verdrängung eines der wichtigsten Themen in Städten, die sich im 21. Jahrhundert immer mehr verdichten und nun einer noch dringlicheren Post-Corona Zukunft stellen müssen.

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Pamela Schobeß, Vorstand und politische Sprecherin der LiveKomm kommentiert:

“Wir bedanken uns besonders bei den Mitgliedern im Parlamentarischen Forum für ihren bisherigen Einsatz und die Beharrlichkeit in dieser Angelegenheit. Der Bundestag sendet mit der heutigen Entscheidung ein starkes und längst überfälliges Signal in die Republik. Musikclubs sind kulturelle Einrichtungen, die als integraler Bestandteil des kulturellen und wirtschaftlichen Lebens die Identität von Stadtteilen prägen. Nun soll ein veraltetes Gesetz an die Realität angepasst werden. Das hilft, um Städte und Quartiere lebendig und lebenswert zu erhalten und kulturelle Orte vor Verdrängung zu schützen.”

Marc Wohlrabe, Vorstand LiveKomm und stellvertr. Sprecher AK Kulturraumschutz:

„Was Clubkultur in unseren Städten, Gemeinden und für unsere Gesellschaft beisteuert, ist seit den umfassenden Studien aus Städten wie Berlin oder der neuen Bundes-Clubstudie in seiner ganzen Tiefe herausgearbeitet. Und Millionen Füße irren seit Jahrzehnten nicht. Es war ein langer Weg und mein Respekt und Dank gehört dem interfraktionellen Parlamentarischem Forum Clubkultur und Nachtleben und besonders der Standhaftigkeit der Befürworter in der Koalition. Lebendige Städte sind ein Schlüssel für eine diverse Gesellschaft und Clubkultur ist einer ihrer Labore.”

Thore Debor, Sprecher LiveKomm AK Kulturraumschutz appelliert:

“Wir setzen darauf, dass die Bundesregierung diesen parlamentarischen Auftrag schnell aufgreift und die Novellierung der Baunutzungsverordnung noch in dieser Legislatur umsetzt. Gerade jetzt in Corona-Zeiten benötigen wir diesen überfälligen Schritt mehr denn je. Ohne die gebündelte Fachexpertise und dem regelmäßigen Austausch im LiveKomm Arbeitskreis Kulturraumsschutz und der Initiative clubsAREculture hätten wir diesen Erfolg kaum erreicht.”

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Häufig gestellte Fragen:

Was erhoffen sich die Clubs von der Veränderung?

Wenn die Bundesregierung dieser Aufforderung folgt und die Baunutzungsverordnung nun dahingehend angepasst wird, dass Clubs und Livespielstätten mit nachweisbarem kulturellem Bezug nicht mehr als Vergnügungsstätten, sondern als Anlagen für kulturelle Zwecke definiert werden würden, wäre ein erster Meilenstein auf Bundesebene getätigt.Durch die Verdrängungsprozesse in den wachsenden, sich zunehmend verdichtenden Ballungsräumen und die Folgen der Corona-Pandemie droht eine Verschärfung des bundesweiten Clubsterbens. Müssen alteingesessene Einrichtungen schließen, verlieren sie ihren Bestandsschutz. Alternative Standorte lassen sich nur sehr schwer auffinden und erhalten selten eine Genehmigung. Musikclubs sind bisher aus einer kulturell und gesellschaftlich überholten Sichtweise nur als Vergnügungsstätten definiert und daher lediglich in Mischgebieten und in Kerngebieten allgemein zulässig. In den anderen Baugebietstypen sind sie nur ausnahmsweise – beziehungsweise nicht – vorgesehen. In reinen Wohngebieten und in allgemeinen Wohngebieten sind sie nach § 4 BauNVO gegenwärtig nicht zulässig.

Welche Auswirkungen wird die Entscheidung haben?

Eine geänderte Einstufung von Musikclubs als Anlagen kultureller Zwecke in der Baunutzungsverordnung hätte für den Ist-Bestand von Musikclubs nur in seltenen Fällen spürbare Auswirkungen. Die gesellschaftlich überfällige Aufwertung von Clubkultur als Teil der Kultur würde durch die Einstufung als Anlagen kultureller Zwecke insbesondere wünschenswerte Folgen in baurechtlichen Verfahren für künftig vereinfachte Club-Ansiedlungen erzielen. Insbesondere nach einer zu befürchtenden Welle von Clubschließungen in Folge der Corona-Pandemie ist die vereinfachte Ansiedlung neuer Musikclubs daher ein anzustrebendes, wichtiges Ziel. Zudem wird ein neuer B-Planstatus als Anlagen kultureller Zwecke auch langfristig notwendige Effekte in der Standortsicherung und im öffentlichen Bewusstsein und Handeln erwirken. Eine Vergnügungsstätte lässt sich einfacher verdrängen als ein etablierter Standort für Kultur. Mit einer Änderung der BauNVO und der Zulassung in weiteren Gebietskategorien wird nicht den Ursachen für Standortschließungen entgegengewirkt. Vielmehr gilt es, mit diesem Schritt die Rahmengesetzgebung für künftige Neuansiedlungen von Musikclubs zu verbessern.

Wie kann die Entscheidung bedrohten Clubs helfen?

Für aktuell akut bedrohte Musikclubs erbringt die Beschlussfassung keine spürbare Hilfe. Der Beschluss kann einen erheblichen Teil dazu beitragen, das die öffentliche Aufmerksamkeit für die Chancen einer nachhaltigen und nutzungsgemischten Stadtentwicklung unter Einbezug der Musikclubs geschärft wird und dass Clubkultur als wertige, schützenswerte und förderfähige Kultur angesehen wird. Es besteht die Hoffnung, dass die angekündigten Vollzugshinweise für die Verbesserung der bauplanungsrechtlichen Situation von Clubs bei den Umsetzungen des Bauplanungsrechts in den zuständigen Ländern künftig beiträgt. Das Parlament bekundet seinen Willen zur weiteren Unterstützung und zum Erhalt der Clubkultur. Hierauf können und werden die Verbände in ihrer Arbeit weiter anknüpfen.