Seit einiger Zeit gibt es die Diskussion über Clubs als Kulturstätten. Dazu musste sich die Berliner Clubkultur aber erst weiter entwickeln, um überhaupt zur Kultur Berlins beizutragen. Zur wirtschaftlichen Weiterentwicklung trägt sie allerdings jährlich 1, 5 Milliarden bei. Also wesentlich mehr als die öffentlich finanzierte oder subventionierte klassische Kultur.

Seit Ende 2020 ist die Berliner Clubszene von der Politik aufgewertet worden: Clubs sind jetzt kulturelle Einrichtungen und nicht weiter Vergnügungsstätten. Das beschloss das Abgeordnetenhaus. Bei möglichen Lärmkonflikten mit der Nachbarschaft haben die Clubs als Kulturbetriebe jetzt unter Umständen mehr Vorteile als bisher. Außerdem zahlen sie einen ermäßigten Steuersatz. Grundsätzlich hat hier die Stadt der Berliner Klubkultur weiter geholfen. Inwieweit das Kulturlabel für den Großteil der Gäste relevant ist, steht auf einem anderen Blatt.

Kultur sollte jedem zugänglich sein. So auch die Location, in der sie stattfindet. Stell dir vor, Opern, Theater, Galerien, Museen würden dich , an der Kasse abweisen: aufgrund deiner Jacke, Haare, oder weil du in einer 5er Gruppe junger Typen unterwegs bist.

Kultur darf ebenso wenig Restriktionen unterliegen wie die Kunst selbst. Welche Kultur kann aus Beschränkungen entstehen? Nur die Kultur einer vermeintlichen Elite, definiert durch Gästeliste, einer subjektiven Auslese mit Stildiskriminierung, die niemals objektiv sein kann. Damit wird Kultur letztlich vor ihren Besucher:innen „geschützt“ und warum ist das nur in Clubs nötig, aber nicht beim Arthouse Fiilm im Kino?

Zu 90% passiert in einem Club folgendes: 15 Euro Eintritt / 1-5 Bier / 2-20 Stunden tanzen / gefolgt von Kater und Klingeln im Ohr, sowie die leeren Worte, es nie wieder zu tun. Ich erweitere meinen Horizont nicht, weil ich Platte XY im Club höre anstatt zuhause. Es gibt keine transformierende Erfahrung durch Lautstärke, außer bei einem Tinnitus. Es gibt die Musik, die Mode, die Magazine, die Kritiker, die Legenden… die sich zu Jugendkulturen verbinden. Und es gibt die MusikABspielstätten, in denen diese Jugendkultur gelebt wird, bzw. gelebt wurde, denn Jugendkulturen sind größtenteils ausgestorben. Ersteres kann eigenständig existieren.

Fakt ist: Es ist eine Schande, dass Clubs auf dem gleichen Niveau wie Spielhallen standen, die einfach verboten gehören, schon allein wegen ihrer Unansehnlichkeit. Zumindest aber war diese Regelung vollkommen veraltet und nicht mehr zeitgemäß, war es auch nie. Vielleicht in den 20ern, aber da waren Clubs auch nicht mit den heutigen Etablissements vergleichbar.

Für Berlin war es definitiv ein Armutszeugnis, hat die Stadt von Techno doch seit 30 Jahren profitiert, wie von nichts anderem. Eine Lösung musste her, die nicht bloß schmückendes Beiwerk ist. Nicht nur ein Lärmschutzfonds.

Eine Eingliederung unter Kulturstätte, die Politiker nicht wirklich zu weitergehenden starken Maßnahmen verpflichtet, ist ein Umweg zum eigentlichen Ziel: Der Anpassung des Gewerbemietrechts und der Baunutzungsverordnung. Es brauchte keine Anerkennung von Clubs als Kulturstätte. So wie sie sind, sind sie gut und müssen nicht „erhoben“ werden. Es braucht eine Anerkennung ihres Wertes als das, was sie jetzt schon für sehr viele junge Menschen sind: Lebensentwurf, Rückzugsort und Platz für Selbstverwirklichung. Fitnesscenter. Supermarkt zum Anbandeln. Raum zum Sehnsüchte ausleben. Und sich mal wieder so richtig austoben. Sie brauchen kein Etikett. Sie sind bereits die Kronjuwelen Berlins.

Und von hier aus komme ich zurück zum Eingangssatz: „Dazu musste sich die Berliner Clubkultur aber erst weiter entwickeln, um überhaupt zur Kultur Berlins beizutragen.“ Diese Entwicklung ist jung. Vieles davon ist erst in den letzten fünf Jahren geschehen. Die Berliner Clubs haben sich aus den dunklen Kellern hin zu Machern von Festivals, Kunstprojekten, Theaterabenden und tausend anderen Ideen gemausert, die zwar marginal schon immer da waren, aber durch höhere Quantität nun stärkeren Impact im wahrnehmbaren Alltag erzeugen. Ich nenne es den Bar 25/Berghain Effekt. Medien nutzen diese Keywords für Reichweite. Subkultur wird Clickbait. Parallel dazu gab es eine Art politischen Erwachens im Zuge der Flüchtlingskrise und des Aufstiegs der AfD. Erst zögerlich, wagten sich ab 2018 immer mehr Clubs aus der neutralen Versenkung und bezogen Stellung, was viele Leute mobilisieren konnte, und sich dementsprechend bei Demonstrationen auf der Straße abbildete.

Also was trägt sie bei? Sie schafft unglaublich viele spannende Projekte, Menschen und Locations:

CTM Festival, Atonal, jede Menge Plattenläden, Musiklabels, Produzenten, USB DJs, 48 Stunden Neukölln, Krake und Klunkerkranich, Deep Web im Kraftwerk, Boros im Berghain, Most Wanted Music und Musicboard, Clubcommission und PopKultur, Loveparade und Zug der Liebe, Nirgendwo und Internet Explorer, Roadrunners und Rio… die Clubkultur ist eine Selbstverständlichkeit wie die BVG oder Eisern Union. Ohne Clubkultur wäre Berlin zwar nicht gleich Hannover, aber nah dran.