Seitdem er sich 2019 auf Solopfade begeben hat, bestreitet Janus Rasmussen eine sehr persönliche Reise. Wie weit er dabei gekommen ist, beschreibt wohl keine andere Veröffentlichung so sehr wie Slóð. Nachdem er sich innerhalb verschiedener gemeinschaftlicher Unternehmungen einen Namen gemacht hatte, vom elektronischen Pop-Quartett Bloodgroup bis zur Hälfte des Duos KIASMOS neben Ólafur Arnalds, hat sich der
Färöer Produzent in seine innere Welt zurückgezogen, um auf seinem Debütalbum Vín und dem darauf folgenden Blóð mit neuen Sounds und Styles zu experimentieren. Doch während die vorigen Releases eine Erforschung der neuentdeckten Freiheit des Musikers als Solokünstler abbildeten, schreitet Slóð, was auf färöisch „Pfad“ bedeutet, ganz klar nach vorn.

Dabei scheinen die Tracks auf Slóð beim ersten Hören nicht viel mit der Bandbreite dieses Künstlers gemeinsam zu haben, die von berauschendem Elektro bis hin zu ominösem Techno so einiges abdeckt. Aber versteckt unter der Palette aus Instrumenten und Field
Recordings schwelt ein ständiger Impuls zu unbefugtem Betreten: „Da war dieser Drang, mich befreien zu wollen von den Regeln, nach denen ich normaler-weise Musik machen möchte und mich vom Ergebnis überraschen zu lassen“, sagt Rasmussen. Dieses Verlangen wurde in drei
der nach vorn drückendsten Tracks übersetzt, die der Musiker je herausgebracht hat, wie immer elegant poliert durch die geschmeidige Produktion, für die er berühmt geworden ist. Der Opener Ærð stellt eine Meisterklasse raffinierter Übergänge dar, indem sich das
Stück nahtlos von melodischen Klavierklängen hin zu schallenden Synthesizern, Shakern und Percussions jeglicher Art bewegt. Solch eine geschmeidige Entwicklung zu konstruieren war alles andere als mühelos. Rasmussen arbeitete mit den Juno 60 und Jupiter 4-Synthesizern, beides altmodische Instrumente, die den warmen Retro-Touch des Stückes erzeugen, aber auch für ihre unbeständige Leistung bekannt sind, die zu unvorhersehbaren Tönen führt. „Es ist frustrierend und überraschend zugleich, mit solch altmodischem Equipment zu arbeiten“, merkt er an. Der Prozess verlangte sowohl Geduld als auch einen Hang zur Improvisation, zwei Eigenschaften, die sich Rasmussen in seiner Kindheit bei der Arbeit mit einfacher Software auf ständig abstürzenden Computern im Rahmen seiner ersten Produktionen bereits angeeignet hatte.

Die Titel der drei Tracks auf Slóð spielen auch auf Rasmussens prägende Jahre an: Ærð, Hegn und Slóð bedeuten „Ader“, „Zaun“ und „Pfad“ in seiner Färöischen Muttersprache. Diese drei Namen rufen neben dem Cover-Artwork eine gewisse Linearität ins Gedächtnis, da sich Rasmussen auf den Entwicklungsverlauf bezieht, der ihn dorthin gebracht hat, wo er jetzt steht. So sehr Slóð also ein logischer Schritt auf seiner
Reise ist, so sehr scheint die EP auch mit dem sich vor ihm aufgetanen Pfad zu brechen und eine neue musikalische Sprache zu erschaffen, die sich zuversichtlicher als jemals zuvor anfühlt: „Es hat mir eine neue Welt eröffnet“, sagt der Produzent. Der Track Hegn verrät, was als Nächstes folgen könnte. Es ist Rasmussens erster Techno-Track: treibend und mit progressiv-intensiver und entschiedener Stimmung. Ähnlich ist der Abschlusstrack Slóð mit Verwegenheit gefüllt. Er zieht los mit dem ehrgeizigen Ziel, verschiedene Instrumente und musikalische Stile zu einer stimmigen Reise zu verweben. Sowohl Track als auch EP selbst beweisen Janus Rasmussens Kunstfertigkeit genau darin: ein breites Spektrum an Erfahrungen in ein musikalisches Abenteuer zusammenzuführen wie niemand sonst.