Mit seinem Debütalbum „180 Grad“ zieht Sir Mantis in den Kampf – gegen die sexistische Rapszene, eine von Vorurteilen und merkwürdigen Idealen geprägte Gesellschaft sowie gegen die Horsts, Alices und Beatrixes dieser Welt. Auf zwölf Tracks macht der Leipziger Rapper und Produzent kaputt, was ihn kaputt macht. Und feiert auf den Trümmern eine eskalative Party. „Sorry not Sorry“ heißt die Handlungsmaxime. „180 Grad“ ist ein in die Luft gestreckter Mittelfinger an das Patriarchat. Klassischen Lebensentwürfen verweigert sich der in Niedersachsen aufgewachsene Künstler, lebt lieber das „Manifest der Prokrastination“ in seinem „Haus am See“ als sonntags in die Kirche zu gehen. Die bekommt im Song „666“ ebenso ihr Fett weg wie die sorglos-hedonistische „Sharing is Caring“-YouTuber-Mentalität im Song „AHNMA“. Macker und Sexisten schickt Sir Mantis gemeinsam mit Sookee in den Blumenladen – jedoch nicht um Blumen zu kaufen – („Der Florist“) und ruft auf „Geheimtreffen“ schließlich die „Verschwulung des Abendlandes“ aus. Seine tief satirische Sozialkritik performt er auf brachial-experimentellen Beats aus dem eigenen Home-Studio. Dabei sieht sich der Rapper und Producer vor allem als Sound-Designer und arbeitet mit selbst eingespielten Synthesizern. Zwei Produktionen auf dem Album stammen außerdem von seinem Wegbegleiter Ikarus, der sich auch für das Mixing des Albums verantwortlich zeigt. Das Mittel der Satire erfüllt seinen Zweck: „Ich bin zwar auch bei satirischen Liedern verletzlich, empowere mich aber selbst, indem ich über den Dingen stehe – zumindest mit einem Bein“, so der Künstler. Zwischen dunkelstem Sarkasmus, wahnwitzigen Vergleichen und treibenden Trap-Instrumentals könnte man leicht übersehen, dass „180 Grad“ ein absolut ernstes Album ist. Wenn er beispielsweise in „Randgruppenkind“ seine Jahre als Heimkind aufarbeitet, durchlebt man die Wut auf Erzieher und eine Gesellschaft, die jeglichen Hang zur Individualität zu verbieten versucht, am eigenen Leib.
„180 Grad“ in erster Linie eins: Ein (selbst-)empowerndes Werk, ein Befreiungsschlag – selbstbewusst und kompromisslos. „Sorry not sorry“ eben. Sir Mantis veröffentlicht mit seiner Debüt-LP das vielleicht krasseste Battlerap-Album des Jahres, gerade weil darauf keine fremden Mütter und klischeebeladenen Pseudogegner gedisst werden. Stattdessen schießt der Musiker mit Fegefeuer-Punchlines gegen Patriarchat, Spießbürgertum, besorgte Bürger, die Kirche und natürlich auch das Gros der HipHop-Szene. Unantastbar und verletzlich zugleich, aggressiv und satirisch, politisch und unterhaltsam, vor allem aber gnadenlos ehrlich – „180 Grad“ erscheint über Springstoff und ist für die HipHop-Szene ein unfassbar wichtiges Album, das für Diskussionsstoff sorgen wird.