Auf die letzte Kolumne gab es zahlreiche Reaktionen – Zustimmung, Kritik, und vor allem: hitzige Grundsatzdiskussionen. Was passiert, wenn kulturelle Werte in monetären Nutzen umgerechnet werden? Kann Kunst und Kultur überleben, mwenn sie sich dem Kommerz beugen müssen? Doch so wichtig der Austausch auch ist, Diskussionen enden oft in einer Sackgasse, denn die Realität zwingt uns das was ist anzunehmen und mit dem was ist, nach vorne zu gehen. Clubs können nicht allein von Werten leben, genauso wenig wie sie ihre Seele an den Meistbietenden verkaufen sollten. Aber welche Alternativen gibt es, um den Krisen, die von Inflation, Stagnation und mangelnder Jugendbeteiligung geprägt sind, zu trotzen?
Autor: Jessica Schmidt
Als Journalistin widmet sich Jessica Schmidt den Themen der Club- und Subkultur. Zudem moderiert und produziert sie den Safer-Use- Podcast NACHTSCHATTEN - ein Kooperationsprojekt u.a. von SONAR - Safer Nightlife Berlin. Neben ihrer Tätigkeit als Moderatorin, Autorin und Kommunikationsmanagerin war Jessica Schmidt auch für die Pressearbeit diverser Club- und Kulturformate wie z.B. der Nachhaltigkeitsinitiarive CLUBTOPIA verantwortlich. Als Teil der DRAUSSENSTADT-Jury hat sie zudem einen detaillierten Blick auf die Förderlandschaft der Hauptstadt. Gemeinsam mit Zoe Uellendahl betreibt sie das Content-Projekt TRESENTALK, das im Rahmen des Publikumstags der STADT NACH ACHT am 18.November diverse Paneltalks in der Renate moderiert und kuratiert.
Die Rettung der Clubkultur kann nicht nur in politischen Forderungen und Förderungen liegen – so wichtig diese auch sind. Was es braucht, ist ein kreatives Umdenken – ein Mix aus innovativen Konzepten, gelebter Teilhabe und gemeinschaftlicher Verantwortung. Wie dieser Mix aussehen könnte, darauf will ich in diesem Beitrag eingehen und Wege aufzeigen, wie die Nacht nicht nur überleben, sondern neu aufblühen kann.
Partizipation als Schlüssel zur Heilung
Wenn wir die Clubkultur retten wollen, müssen wir den Schwerpunkt auf Teilhabe legen. Denn aktive Mitgestaltung wirkt wie eine Therapie: Sie stärkt das Selbstbewusstsein, schafft Verbindung und vermittelt demokratische Werte. Community-Clubs könnten eine neue Form von kulturellem Engagement schaffen, in denen die Jugend nicht nur Konsument:in, sondern Gestalter:in ist. Durch Modelle wie Club Tokens. Klingt schräg? Lasst es mich erklären, denn dank Clubtokens könnte ‚kein Geld, kein Problem“ sein. Club Tokens, basierend auf Blockchain-Technologie, ermöglichen genau das: Besucher:innen verdienen Tokens durch freiwillige Mitarbeit, kreative Beiträge oder Community-
Engagement – etwa beim Aufbau, der Deko oder durch eigene DJ-Sets – dem Club wiederum spart das Kosten. Diese Tokens können für Eintritt, Getränke oder Merchandise eingelöst werden, während dezentrale Abstimmungen über das Programm demokratische Mitbestimmung fördern. So entsteht eine Clubkultur, die Gemeinschaft und Kreativität in den Fokus rückt und jedem die Möglichkeit gibt, teilzuhaben – ohne finanziellen Druck, aber mit maximaler Verbindung.
Hier schließt sich auch die Forderung der LiveKomm nach Anerkennung von Clubs als kulturelle Orte an. Denn wenn Clubs offiziell als Zentren kulturellen Lebens gelten, können sie sich stärker darauf konzentrieren, diese Funktionen auch aktiv zu erfüllen – als kreative, soziale und gesundheitliche Hotspots.
Kreative Finanzierung statt seelenlosem Kommerz
Politische Förderungen wie der von der LiveKomm vorgeschlagene „Live Music Fund Germany“ sind essenziell, doch sie allein reichen nicht aus. Clubs müssen auch unabhängig von Fördergeldern überleben können. Brand-Kooperationen sind hier eine echte Chance – wenn sie sensibel umgesetzt werden. Statt seelenlosen Kommerz könnten Partnerschaften geschaffen werden, die die Werte der Clubkultur widerspiegeln. Beispielsweise könnten nachhaltige Marken oder Gesundheitsorganisationen thematisch passende Events sponsern. So könnte ein Club mit einer NGO zusammenarbeiten, die mentale Gesundheit fördert, und daraus Formate entwickeln, die Musik und Achtsamkeit verbinden. Diese Art der Finanzierung bewahrt nicht nur die Authentizität, sondern erweitert auch die kulturelle Funktion des Clubs.
Schallschutz und Gesundheit: Der richtige Ton
Die LiveKomm fordert zu Recht eine Reform des Schallschutzes, um den Unterschied zwischen Kulturlärm und Industriegeräuschen anzuerkennen. Das ist nicht nur eine Frage der Bürokratie, sondern eine Frage des Wohlbefindens. Musik ist ein universales Heilmittel – sie wirkt auf den Körper, die Psyche und das Herz. Doch wenn Clubs durch strenge Lärmschutzauflagen zum Schweigen gezwungen werden, verlieren wir einen wichtigen Teil dieser heilenden Kraft. Ich dramatisiere hier nicht. Laut dem britischen „Report prepared for the
Department for Culture, Media and Sport“ geht hervor: Kunst und Kultur sind gut für uns. Sie verbessern die mentale Gesundheit, fördern das
Gemeinschaftsgefühl und stärken das Wohlbefinden. Clubs sind keine mAusnahme. Sie sind Orte, an denen Stress abgebaut wird, wo wir uns bewegen, tanzen, schwitzen – und uns für ein paar Stunden von den Belastungen des Alltags lösen können. In einer Welt, die zunehmend von Isolation und digitaler Einsamkeit geprägt ist, sind Clubs die letzte Bastion echter menschlicher Interaktion. Das Bundesschallschutzprogramm könnte Clubs helfen, Standorte zu sichern und in Einklang mit den Bedürfnissen der Nachbarschaft zu existieren. Es ist ein Balanceakt, aber einer, der die Mühe wert ist.
Awareness-Konzepte: Sicherheit als Wohlfühlfaktor
In einer Zeit wachsender psychischer Belastungen und sozialer Unsicherheiten brauchen Clubs klare Konzepte, die Sicherheit, Inklusion und das Wohlbefinden aller garantieren. Awareness-Teams, wie sie von der LiveKomm gefordert werden, spielen dabei eine zentrale Rolle: Sie können nicht nur Diskriminierung und Gewalt entgegenwirken, sondern auch das psychische und soziale Wohlbefinden der Besucher:innen aktiv fördern. Ein Club, in dem sich jede:r sicher und willkommen fühlt, wird zu einem echten Ort der Regeneration und Begegnung – und erfüllt damit auch eine essenzielle Gesundheitsfunktion. Doch wie wird das finanzierbar? Eine Möglichkeit wäre die Einbindung von Krankenkassen oder Gesundheitsinitiativen, die präventive Maßnahmen gegen Stress und psychische Belastungen fördern. Auch könnten Clubs auf
Förderprogramme zur Gewaltprävention zurückgreifen, die von Landes- oder Bundesministerien bereitgestellt werden. Zusätzlich könnten Kooperationen mit NGOs und Stiftungen, die sich für psychische Gesundheit, Diversität oder soziale Inklusion einsetzen, finanzielle Unterstützung bieten. Schließlich könnten Brand-Partnerschaften mit sozialen Unternehmen helfen, Awareness-Programme zu finanzieren, ohne den Clubcharakter zu gefährden. Ein vielfältiger Finanzierungsansatz könnte so die langfristige Umsetzung dieser essenziellen Konzepte sichern.
Das Kernproblem ist simpel und doch so gravierend: Niemand hat gerade Geld – weder die Clubs, noch die Besucher:innen, und die Jugend erst recht nicht. mDie Rettung der Clubkultur liegt daher nicht nur in Förderungen, sondern in mkreativen Alternativen. Alternative Zahlungsmöglichkeiten, wie Club Tokens, mkönnten den Zugang für alle ermöglichen. Energieaustausch in Form von mfreiwilliger Mitarbeit oder kreativer Beteiligung reduziert nicht nur Kosten, sondern schafft ein Gefühl von Gemeinschaft. Wenn Clubs ihre Strukturen mpartizipativer gestalten, laden sie die Jugend ein, aktiv mitzuwirken und dadurch eine tiefere Verbindung zur Clubkultur zu entwickeln. Die LiveKomm-Forderungen bilden eine Basis, aber ohne mutige, innovative Ansätze wird die Clubkultur nicht resilient genug sein, um diese Krise zu
überstehen. Es ist Zeit, neu zu denken: Wie können wir die Nacht so gestalten, dass sie für alle zugänglich bleibt? Denn ohne Clubs fehlt uns nicht nur der Bass – uns fehlen Räume, in denen wir unsere Seele tanzen lassen können.