Mein musikalischer Mentor „Party Jesus“ brachte mich in den 90ern zu einem tieferen Verständnis von elektronischer Musik. Während ich bei HARDWAX jede neue Platte von UNDERGROUND RESISTANCE in tiefer Demut bezahlte und Gott für ein weiteres Stück in meiner Sammlung dankte, zeigte er mir abseits von brachialem Krach und 140 BPM eine Welt voller Melodien und Schönheit, verwinkelter Rhythmusstrukturen und randvoll mit Soul. Er führte mich zu Strictly Rhythm, John Coltrane, zu Aphex Twin und Kraftwerk… zu den Korgs, Moogs, Oberheims, Rolands und Yamahas… und zu deeeper, deeper Housemusic.

Der Herr war damals noch A&R Manager bei einem Indie Label und deshalb ein Mensch, dem man Promos schickte. Viele Promos. Wobei auch „sehr viele“ in diesem Sinne bei weitem nicht ausreicht. Die Plattensammlung dieses Mannes war schlichtweg ein Horror für jeden Umzugshelfer. Im großen und ganzen bestand die Wohnung aus einer Liegestatt in Form einer Matratze, einem Plattenspieler und ca. 100.000 Platten. Sie waren ringsrum an die Wand gestapelt, nur das Bett konnte sich einen Freiraum sichern. Die Stapel hatten alle ungefähr eine Länge von ca. anderthalb Metern und auf ihnen türmte sich eine zweite, etwas kürzere, Reihe.

Teilweise gab es auch einen dritten Stock in dieser Plattenstadt. Das waren die Neuerscheinungen, die er noch nicht durch gehört hatte. Scheinbar gab es sogar ein System in diesem Vinylmeer, doch nur Jesus selbst konnte die Wogen teilen und innerhalb kürzester Zeit, die Platte aus den Fluten ziehen, die er benötigte, um seinen Vortrag über Musik, und es waren immer Vorträge, denn Diskussionen waren dermaßen fix vorbei, weil einfach niemand in puncto Wissen mithalten konnte, auch akustisch zu untermalen. Jesus hatte eine klassische Hippie Matte, die ihm beim Auflegen, vor allem nach dem exzessiven Genuss seiner Pur Pfeife, immer gefährlich auf den Plattenteller haarte und sich bisweilen kurzfristig in der Nadel verfing. Auch schaffte er es, mit äußerster Konzentration beim Mixen zwei Beats versetzt nebeneinander laufen zu lassen, was aber die wenigsten störte, war doch jede Platte ein musikalischer Genuss.

Im Gedenken an an ihn ist dieser Artikel über DJ Wohnungen entstanden.