Diesen Herbst feiert einer der wichtigsten Namen in der Geschichte des Techno sein Comeback: X-MIX. Die legendäre Audio-Video-Mix-Serie – ein essentieller Bestandteil der 90er-Techno-Szene – ist zurück. Sie war schon damals eine Innovation. Und nun feiert X-MIX als kreative Adaption auf die zehn original Videos aus den 90ern ihre Auferstehung. Horst Weidenmüller, der Gründer des !K7 Labels und zugleich der Kurator von X-MIX, sagt: „Wir werden keine neuen DVDs oder CDs veröffentlichen. Das Konzept ist vielmehr, die Videos als Grundmaterial für innovative Visual Artists von heute zur Verfügung zu stellen. Ihr Auftrag: Macht etwas Neues daraus, benutzt es als Inspiration für die visuellen Elemente einer Party. Es geht darum das X-MIX Material auf den neuesten Stand zu bringen, sie auf den Kontext der Partys von heute zu übertragen.“
X-MIX Premiere / 25.10 / STATTBAD Gerichtstr. 65
John Acquaviva (who mixed one X-Mix in 1994), Derek Plaslaiko, Hrdvision , Marius Reisser and the video installation from the X-MIX vjing archives remodeled by the Pussykrew.
X-MIX / 22.11 / STATTBAD Gerichtstr. 65
Dave Clarke, one of X-Mix’s most prominent affiliates with Objekt and some artists of Ostgut Ton to be revealed soon.
Ein kurzer geschichtlicher Exkurs: Im November 1989 schaute die ganze Welt auf Berlin. Die Mauer war gefallen. Die Grundlage für die deutsche Wiedervereinigung ein Jahr später war gelegt. Zugleich schuf der Mauerfall den Nährboden für eine der spannendsten Clubszenen der Welt, die bis heute aktiv ist. Weidenmüller war mittendrin. „Es war ein aufregender Moment“, erinnert er sich heute. „Es gab neue Clubs wie den Tresor und das E-Werk. Menschen aus Ost und West gingen auf die gleichen Partys und hörten Techno-Musik – das gab es nur in Berlin. Diese Energie war unglaublich.“
Weidenmüller wollte Teil davon sein. Zum damaligen Zeitpunkt war !K7 ein Outlet für seine Filme von Bands wie Einstürzende Neubauten und Nick Cave. Doch es wurde immer schwerer die Rechte von solchen Künstlern zu bekommen – und das obwohl sie bei Indie-Labels unter Vertrag waren. Techno war eine durch und durch unabhängige Kunstform. Und das passte perfekt zu Weidenmüllers Leidenschaft für Indie-Kultur. Er beschloss Visuals zur Techno-Musik zu kreieren, zu der Berlin tanzte. Das Ergebnis war X-MIX: Ein DJ-Mix mit einem dazugehörigen Stream von Visuals. „Wenn man damals in einen Club ging, waren die einzigen visuellen Effekte Stroboskopblitze und bunte Lichter“, erklärt Weidenmüller. „Wir begannen mit dem ersten computeranimierten Video. Die Grundidee war einfach: Die Musik kommt aus dem Computer. Und die Visuals dann eben auch.“
X-MIX war ein enormer Erfolg. Die Videos liefen überall, bei MTV ebenso wie auf den illegalen Raves in den Fabrikruinen. Es war eines der wenigen Ventile der aufstrebenden Digital-Kunstszene – und jeder hatte Zugang. Da im Zentrum des Ganzen ein DJ-Mix stand, wurde X-MIX ganz nebenbei zur ersten Mix-Serie auf CD. Bis dahin lief alles noch auf Kassetten. Nach nur zehn Folgen war X-MIX bereits ein fester Bestandteil der Techno-Geschichte. Die Liste der Namen der DJs liest sich wie ein Who is Who des Techno: Dave Angel, Dave Clarke, Hardfloor, DJ Hell, John Acquaviva, Ken Ishii, Kevin Saunderson, Mr C, Laurent Garnier, Richie Hawtin und Paul Van Dyk.
Vor zwei Jahren dachte Weidenmüller darüber nach, X-MIX neu aufzulegen: „Ich sprach mit meiner 18-jährigen Tochter über X-MIX“, erzählt er. „Sie half mir, die individuellen Videos aus den Langversionen herauszuschneiden. Wir schauten uns die Videos an und ich liebte die Musik und fühlte wieder diese Energie von damals. Sie meinte, es sei genau dieselbe Art von Musik, zu der sie auch tanzen geht. Da wurde mir klar: Diese Kultur ist immer noch lebendig. Und X-MIX ist Teil der Wurzeln dieser Kultur.”
Das Ergebnis sind nun zwei Audio/Visual-Partys in Berlin – im Stattbad Wedding, einem früheren Schwimmbad, das mittlerweile eine Kunstlocation ist. !K7 arbeitet dabei zusammen mit den Berliner Event-Veranstaltern Chez Jacki, bekannt für ihre Denkfabrik für Visual Art, Dance Music, Licht und Sound-Installationen in Fabriken und Lagerhallen seit 2005.
Beim ersten Event sind John Acquaviva, Derek Plaslaiko, Hrdvision und Marius Reisser mit von der Partie, mit einer Videoinstallation des Berliner Duos Pussykrew (am 22. Oktober). Das Line-up des zweiten Events besteht aus Dave Clarke, Objekt, einem Gast vom Label Ostgut Ton und Marius Reisser, sowie erneut einer Video Installation von Pussykrew (am 22. November). Mit John Acquaviva & Dave Clarke kehren also zwei Urgesteine der elektronischen Musik zur X-MIX-Familie zurück. Neben diesen internationalen Größen wird darüber hinaus ein schillerndes Line-up aus prominenten DJs der nächsten Generation kuratiert. Pussycrew nutzt stundenweise Filmmaterial aus dem X-MIX-Archiv, das nun, digital aufbereitet, mit einer mitreißenden Video-Licht-Installation live geremixt wird.
So werden 20 Jahre Video-Technologie präsentiert – in einer Kombination aus Innovation und altem Erbe. Das Ganze ergibt eine Live-Installation, die das Publikum für zwei Abende in die Avantgarde der digitalen Kunst eintauchen lässt. Eine einzigartige Erfahrung. X-MIX ist damit einer der wohl ungewöhnlichsten Dance Music Events aller Zeiten in Berlin, der zugleich das raue Ambiente der ursprünglichen 90er-Techno-Szene bewahrt und wiederbelebt.
„Ich will eine Party schaffen, die 20 Jahre Club-Kultur miteinander verschmelzt“, sagt Weidenmüller. „Mit Leuten von damals ebenso wie neuen DJs. Damit zeigen wir, wie relevant und kraftvoll diese Musik über 20 Jahre hinweg geblieben ist.“ In wenigen Worten ausgedrückt, lautet das Motto schlicht: Zurück in die Zukunft.