In Zeiten hoher Mieten, Energiekosten und Gentrifizierung, müssen in Berlin immer mehr Clubs schließen. In diesem Jahr haben alleine das Mensch Meier und die RE:MISE zugemacht. Doch wo bleiben die neuen Freiräume für Kunst, Kultur, Hedonismus und Extase? In den 1990er Jahren, kurz nach dem Fall der Berliner Mauer, haben sich Kreativschaffende die leerstehenden Häuser im Osten der Stadt einfach genommen. Davon ist heute nicht mehr viel übrig. Für Europas größte und vielfältigste Clubszene werden Flächen in den Außenbezirken immer wichtiger. Eine davon ist das Revier Südost in Schöneweide, wo vier Berliner Kollektive an Silvester ein einzigartiges Event auf die Beine stellen.
Das Revier Südost gibt es noch nicht lange. Es erschließt ein ganzes Viertel im Berliner Stadtteil Schöneweide auf dem Gelände der ehemaligen Bärenquell-Brauerei. Nach ihrer Schließung im Jahr 1994 ging hier lange nicht mehr viel. Seit ein paar Jahren aber schon. Denn hier hat sich seit der Corona-Pandemie unter anderem der Techno-Club RSO (ehem. Griessmühle) etabliert.


„In Schöneweide gibt es nicht viele Orte, die Kunst und Kultur bieten. Wir wollen das Viertel und damit ja auch Berlin bereichern.“, sagt Michaela Krüger. Die Betreiberin des Revier Südost hat darüber hinaus auch ein Festivalgelände mit Platz für 2000 Menschen erschaffen. Hier sollen vor allem junge House-Kollektive, Künstler und Bands unterstützt werden. Teil vom Gelände ist der Baergarten, ein In- und Outdoor-Space, in dem vor allem das Genre HOUSE etabliert werden soll.


„Für Künstler und Kollektive haben wir zum Beispiel eine Reihe, die „Baergarten Invites“ heißt. Dort geben wir ihnen die Möglichkeit sich zu zeigen und sogar zu veranstalten. Ohne Miete. Und die Künstler können Spenden einnehmen.“ Rahmenbedingungen, die an die 1990er Jahre in Berlin erinnern. Damals, als Techno-DJs mit ihren Anlagen leerstehende Häuser im Osten der Stadt besetzten und umsonst ihre Veranstaltungen machen konnten. Schlaraffenland für Künstler:innen, Veranstalter:innen und Raver:innen aller Art, quasi – im Außenbezirk.


„Im Revier Südost haben wir keine großen Hürden für Kunst und Kultur. Künstler können hier ihre Kultur etablieren und selbst entscheiden, wieviel Eintritt sie nehmen. Ich werde niemals jemanden wieder wegschicken, wenn er nur ein Bier trinken oder Pizza essen will, aber den Eintritt nicht bezahlen möchte, verstehen Sie?“

Wenn man über das riesige ehemalige Gelände der Bärenquell-Brauerei läuft mit seinen vielen backstein-gemäuerten Gebäuden, spürt man den Geist der unbegrenzten Kreativität. Das Entwicklungspotenzial ist groß, sieht auch Lukas Kuite, Gründer des Berliner House-Musik-Kollektivs DISKOLUSION.

„Das, was einem hier geboten wird, ist schon einzigartig. Das gibt es nur ganz selten in Berlin. Ohne hohe Mieten geht heutzutage ja gar nichts mehr. Und dann müssen die Eintrittstickets meistens so hoch sein, dass es keinen Spaß mehr macht. Dieses Dilemma gibt es hier nicht.“

Kein finanzielles Risiko eingehen zu müssen für eine Veranstaltung und sich hauptsächlich auf die Musik, Promotion und Party zu konzentrieren, seien für ihn und sein Kollektiv Traumkonditionen, sagt Kuite.

„Der Vibe ist ja auch ein ganz anderer zwischen Club und Kollektiven oder Labels. Hier wird einzig und allein die Kultur unterstützt. Darum geht es doch.“

Im neuen Jahr macht neben der Location BAERGARTEN auch der neue GLORIA Floor auf. In diesen Flächen, die in etwa Platz für 800 Menschen haben, will die Betreiberin Krüger vor allem das Genre House etablieren. Später sollen hier auf dem Gelände auch Cafes, Bars, Tonstudios, Startups und auch ein Hostel einkehren.

Mit vier weiteren Berliner House-Kollektiven (Anxiety Therapy, Zapped & Birdhouse) veranstaltet Diskolusion an Silvester das 24h HOUSE FESTIVAL. Hier bieten die Kollektive ihren Gästen 24 DJ-Sets auf zwei Floors an. Von Minimal, Classic und NU-Disco, bis hin zu Afro und Breaks kuratieren die vier Kollektive eine breite Bandbreite des House-Genres. DJs aus London, Argentinien und Berlin sind bereits gebucht worden.

„Solche Bookings gehen dann ja auch wieder, wenn man keine utopisch hohe Miete für den Club zahlt. Natürlich konzentrieren wir uns hauptsächlich auf die Berliner House-Szene. Aber es ist doch auch megabereichernd, wenn jemand aus London uns hört und umgekehrt genauso.“, sagt der 28-Jährige Musiker.

Tickets starten dank der guten Konditionen schon ab 12 Euro. Weitere Specials bieten die jungen Nachwuchsveranstalter ebenfalls an, darunter ein Tattoo-Studio, das Flash-Tattoos vor Ort anbietet und eine Art Gallery mit Gemälden der Berliner Künstler:innen Lea Koch, Don Andrés und Cooked Rabbits. Zudem wird es eine Tarot-Karten-Leserin und Karaoke geben. Es soll halt für jeden etwas dabei sein.