Das Festival Easterndaze x Berlin lädt erneut Künstler*innen und Aktivist*innen diverser elektronischer Musikszenen in Osteuropa nach Berlin ein. Gemeinsam mit mit Berlin-basierten Labels/Kollektiven veranstalten sie Live-Auftritte, DJ-Sets und Talks. Das Festival ist aus dem Blog Easterndaze (easterndaze.net) entstanden. 2010 von Lucia Udvardyová und Peter Gonda gegründet, erkundet und dokumentiert Easterndaze DIY-Szenen in Mittel- und Osteuropa. Udvardyova und Gonda haben die Region extensiv bereist, und mit Interviews und Tonaufzeichnungen die Perspektiven zeitgenössischer und unabhängiger musikbezogener Künstler*innen sowie Initiativen, die dort aktiv sind, eingefangen und die jeweiligen soziopolitischen Kontexte vermittelt Das erste Ergebnis war eine Reihe von dokumentarischen Audioaufnahmen, aus denen das Label Baba Vanga hervorgegangen ist. Inzwischen ist Easterndaze eine Netzwerkinitiative, die Radiosendungen (Resonance FM, Tschechischer Rundfunk, Cashmere Radio Berlin) und Veranstaltungen in der Region, wie z.B. sowie die ersten beiden Ausgaben des Festivals in Berlin. (2016, 2018) umfasst.

Während der Diskurs um die Faszination des „Kulturraumes“ Osteuropa mittlerweile in den Mainstream gedrungen ist, bildet Easterndaze auch fast zehn Jahre nach seiner Gründung nach wie vor eine wichtige Säule dieses Diskurses und des kulturellen Austausches.
Bei der diesjährigen Festivalausgabe sind Kollektive aus Estland (Serious Serious), Rumänien (PARADAIZ) und Belarus (Mechta) zu Gast, in Tandem jeweils mit den Berlin-basierten Kollektiven Conditional, Voodoohop und Forbidden Planet.

Das Musikprogramm wird ergänzt durch einen Talk zum Thema „Dekolonisierung osteuropäischer Narrative“, präsentiert von dem in Bukarest ansässige Kajet Journal, eine Publikation, die in Artikeln, literarischen Texten, Foto- und Grafikstrecken darauf abzielt, „das unrechtmäßige Unterlegensheitgefühl der Regiongegenüber den ‚Mächtigen‘, ‚Wohlhabenden‘ und ‚Fortschrittlichen‘ zu demontieren.“ Zur gleichen Zeit wird eine Auswahl musikbezogener Medienkunst zu sehen sein, kuratiert von D’EST, einer
Berlin-basierten audiovisuellen Online-Plattform, die postsozialistische Transformationsprozesse aus postgeografischen, nicht-hierarchischen und feministische Diskursen begleitet. 30 Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer, der den Anfang der allmählichen „Wiederkehr Osteuropas nach Europa“ markiert, sind Beziehungen von gegenseitigem Austausch, Unterstützung und Verständnis und der Überwindung von Zerrbildern und der Kluft zwischen „Ost“ und „West“ wichtiger denn je.

HIGHLIGHTS

Mit seinem Podcast und regelmäßigen „true rave“ Veranstaltungen ist das Kollektiv Mechta aus Minsk ist ein Nexus der Clubszene in Belarus, die trotz spannender Entwicklungen wenig internationale Beobachtung findet. Zum Lineup gehört DJ Elena Sizova, bekannt für ihre Mischung aus Dark Techno und Industrial Sounds sowie auch für ihre Zusammenarbeit mit Detroit Techno Legende Gerald Donald in dem Projekt Der
Zyklus.

Am selben Abend präsentiert das Forbidden Planet Label Technolegende Mono Junk, einer der ersten finnischen Electroproduzenten, der die Wurzeln des Techno in Detroit und Chicago in seinen Kompositionen würdigt.

Eröffnet wird Easterndaze x Berlin 2019 durch Performances, die von dem experimentellen Berliner Label Conditional und dem Kollektiv Serious Serious kuratiert werden. Conditional präsentiert Renick Bell, einen Computermusiker, Programmierer und Dozent, der in Tokyo lebt. Er hat promoviert an der Tama Art University in Tokyo. Seine aktuellen Forschungsgebiete sind Live Coding, Improvisation und algorithmusbasierte Komposition mit Hilfe von Open Source Software. Er ist Autor von Conductive, einer Biobliothek für Live Coding in der Haskell Programmiersprache. Davor war er Doktorand an der Tokyo Denki University. Als Künstler ist Renick Bell besonders für filigrane elektronische Musik bekannt, die durch Live Coding mit einem von ihm selbst
geschaffenen generativen System entsteht.

Serious Serious präsentiert den estnischen Musiker und Produzenten Ratkiller. Seine eigenwillige Musik zeichnet ihn als Meister der musikalischen Intertextualität aus. Er erschafft ein Pop-Paralleluniversum aus gehacktem und verschrobenem Hiphopnoise,knisternder Elektronik, Cutup-Konvulsionen und durchgeknalltem Ambiente, bei denen anspruchsvolle Konzepte und formale Klarheit in gegenseitiger Wechselwirkung stehen.

Die kulturellen Undergroundaktivist*innen Voodoohop (Brasilien/Berlin) sind Pioniere eines neuen lateinamerikanischen Downtempo-Sounds. Voodoohop wurde in Sao Paulo/Brasilien gegründet und ist inzwischen auch in Berlin mit regelmäßigen Veranstaltungen an verschiedenen Orten präsent. Die Künstler*innen mischen Elemente traditioneller brasilianischer Kultur mit ritualistischer Performance zu einem multi-sensorischen Tropical Cabaret, und das Kollektiv verwandelt Räume, ob verlassene Gebäude oder Rückzugsorte in der Natur, in Erlebnisorte.

Am selben Abend präsentiert PARADAIZ aus Bukarest das Tape Mașina ein DJ Set, bei dem Kassetten aufgelegt werden. PARADAIZ agiert als Kollektiv in Subkulturen in der Peripherie in Rumänien und erschließt dortige Musikkulturen, um die unterkomplexen und unidirektionalen Machtververhältnisse, die von der „offiziellen“ Kultur und der Kulturelite etabliert wurden, zu zersetzen. Zusammen mit unterprivilegierten Communities in Rumänien hat PARADAIZ verschiedene unkonventionelle
Interventionen organisiert, darunter die berüchtigte Charity-Party-Reihe PARADAIZPANARAMAPARTY.

Das Begleitprogramm mit dem Thema “Subcultural Peripheries: Remapping the East” findet am Samstag, 30.11.2019, von 15:00-21:00 in dem Ausstellungsort und Projektraum ZÖNOTÉKA in Neukölln statt. Kajet Journal kuratiert ein Talk zum Thema. Auch lange nach dem Fall des „Eisernen Vorhanges“ sind europäische Kulturräume weiterhin gespalten. Trotz der Errungenschaften der Globalisierung – erhöhte
Mobilität und flächendeckender Zugang zu Technologien und fremden Kulturen – gilt „Osteuropa“ nach wie vor als rückständig und aktuellen Entwicklungen hinterher hinkend. Dadurch ist eine starke Diskrepanz entstanden zwischen intellektuellen, künstlerischen und kulturellen Aktivitäten in der Region einerseits und die Wahrnehmung dieser Ideen im Westen andererseits. Nichtdestotrotz gedeihen in Osteuropa lokale Szenen, denen es gelingt, ihre marginale/marginalisierte Stellung und eine „Topografie des Schmerzes“
wirkungsvoll kreativ zu verarbeiten. Mit diesem Panel möchten wir das erkunden, was jenseits normierenden Zentrums passiert. Ist es möglich, durch Hinterfragung der „Master Narratives“ und Fokussierung auf das Marginale und die Peripherie eine grenzüberschreitende Kampfgemeinschaft zu bilden? Wie können subkulturelle Ausdrucksformen Rahmenbedingungen für eine transnationale (osteuropäische) Solidaritäten schaffen?

Im selben Veranstaltungsort präsentieren wir eine von D’EST kuratierte Auswahl von Medienkunst. D’EST: A Multi-Curatorial Online Platform for Video Art from the Former ‘East’ and ‘West’ wurde von Ulrike Gerhardt in Kooperation mit DISTRICT Berlin initiiert.

PROGRAM EASTERNDAZE × BERLIN 2019: DIY MUSIC TOPOGRAPHIES

Konzerte
Donnerstag 28/11 – Conditional (Berlin) x Serious
Serious (Tallinn)
Ort: ACUD – Veteranenstr. 21, 10119 Berlin-Mitte
Line up:
Steph Horak & Renick Bell (live)
Jennifer Walton (live)
Daniel Katinsky (live)
Ratkiller (live)
Benzokai (live)
Kisling (live)

Freitag 29/11 – Voodoohop (Berlin/Sao Paulo) x
Paradaiz (Bukarest)
Ort: Arkaoda – Karl-Marx-Platz 16-18, 12043 Berlin-
Neukölln
Line up:
Paradaiz Tape Mașina (DJ)
Tina Scarlatina (live)
Matteo Islandezu feat Lena (live)
* secret guest *
Urubu Marinka (dj set)
Caroline Barrueco (visual installation)

Samstag 30/11 – Forbidden Planet (Berlin/Montreal)
x Мechta (Minsk)
Ort: +4 Bar/Tresor – Köpenicker Str. 70, 10179
Berlin
Line up:
Mono Junk (live)
Mas569 (live)
Yanling (DJ)
Elena Sizova (DJ)
Morgotika (DJ)
SDS (DJ)

Talk & Ausstellung
Saturday 30/11
Ort: ZÖNOTÉKA – Hobrechtstrasse 54., 12047
Berlin-Neukölln
// Kajet Journal presents: “SUBCULTURAL
PERIPHERIES: RE-MAPPING THE EAST”
// D’EST presents: Videoteka with music-related
video art by female and non-binary artists