Techno war nie nur ein Berliner Ding. Weit abseits urbaner Zentren, in den zerfallenden Strukturen der Nachwendezeit, entstand in den 1990er Jahren im Harz eine Szene, die sich nicht verstecken musste. Die MDR-Doku „Techno im Harz – Elektro, Bässe und Ekstase“ erzählt davon, wie junge Menschen sich nach dem Zusammenbruch der DDR in Ruinen und Steinbrüchen neue Räume zum Feiern nahmen – ohne Genehmigung, ohne Brandschutz, aber mit jeder Menge Energie. Und sie zeigt, wie dieses Erbe bis heute weiterlebt.

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Der Film blickt zurück auf einen kulturellen Ausnahmezustand, der mit der Wende begann. Ein zentraler Ort: der Blaue See – ein aufgelassener Steinbruch, der zum Epizentrum illegaler Raves wurde. Auch der ehemalige Saatgutlager in Schlanstedt bei Halberstadt war einer dieser Freiräume, in denen sich der anarchische Geist der Nachwendezeit entlud. DJs bauten ihre Anlagen auf, Lichttechniker bastelten mit, alle halfen mit – DIY in Reinform. Wer etwas konnte, brachte es ein. Für viele war das nicht nur Party, sondern gelebte Utopie.

Zu Wort kommen Szeneveteranen wie Falk-Harro von Biela, der mit „Tribe of Madness“ Anfang der 90er eine der ersten Technopartys im Harz organisierte. Seine Erinnerungen zeichnen ein Bild der Unmittelbarkeit, des Chaos, der Euphorie. „Es waren zehn Jahre Anarchie“, sagt er – und meint das keineswegs negativ. Auch Dimitri Hegemann, Gründer des Berliner Tresor-Clubs, betont in der Doku, wie wichtig elektronische Musik für die Selbstermächtigung junger Menschen auf dem Land war: Techno wurde zum Instrument kollektiver Selbstorganisation.

Doch die Doku bleibt nicht in der Vergangenheit stecken. Sie zeigt auch, wie junge Menschen heute versuchen, die Idee von damals neu zu interpretieren. Der Feinkost Club in Ballenstedt etwa ist ein gutes Beispiel für ein neues Kapitel. Dort betreiben Jugendliche einen kleinen, aber ambitionierten Veranstaltungsort – mit viel Eigeninitiative, wenig Budget und einer klaren Haltung. Auch Festivals wie der „Palace of Sounds“ in Wernigerode oder Techno-Partys an der MLK-Area in Blankenburg zeigen: Die Szene lebt weiter, auch wenn sich die Rahmenbedingungen verändert haben.

Was die Doku dabei besonders gut schafft: Sie romantisiert nicht. Sie verklärt die Vergangenheit nicht zu einem ewigen Rave-Märchen, sondern zeigt Brüche, Konflikte und die Fragilität solcher Räume. Die Frage, wie man heute in einer durchregulierten Welt überhaupt noch „frei“ feiern kann, steht unausgesprochen im Raum. Und sie ist aktueller denn je.

„Techno im Harz“ ist damit mehr als nur eine nostalgische Rückschau. Es ist ein Stück Regionalgeschichte, das zeigt, wie stark Subkultur auch jenseits der Metropolen gewirkt hat – und immer noch wirkt. Wer den Film sehen will, findet ihn in der ARD Mediathek. Der Link: „in der Bio“, wie es im Social-Media-Sprech so schön heißt.