Das Wissen war schon länger da. Wenn ich auflegte, wählte ich instinktiv frühe Playtimes und blieb oft außerhalb der Floors, damit sich mein Gehör nicht verschloss. Dass ich nicht mehr so gut höre… wie schwer es doch fällt, das Wort „schwerhörig“ zu schreiben, war längst klar. Früher sagte es meine Mutter oft und gern. Und es war lustig. Jetzt nicht mehr. Ich ließ bei Geers einen Test machen. Danach war es nicht mehr wegzudrücken.

„Arbeiten Sie in einer lauten Umgebung?“, fragte die Hörakustikerin.

„Ja, ich lege seit 1992 auf.“

Das Ergebnis war ernüchternd: ein wissendes Kopfnicken, ein Testdiagramm mit einer Kurve am unteren Rand der Skala.

Früher hatte ich immer das Gefühl, dass mein Sohn zu laut war, aber jetzt scheint es, als ob ich ihn kaum verstehen kann. Oft reagiert er genervt, wenn ich deshalb nachfrage. Wenn ich mit Freunden unterwegs bin, besonders draußen im Sommer, greife ich oft zum Handy, weil ich den Gesprächen nicht mehr folgen kann. In einer Welt voller Geräusche ist das wie ein Filter, der sich unaufhaltsam zwischen mich und alles andere legt. Und doch begann alles mit Klang. Mit diesem einen Moment, in denen man hören lernt.

Wie es anfing

Ich hatte damals keine eigenen 1210er zu Hause. Also übte ich am Wochenende im Club. Vor dem Auflegen. Stundenlang, immer dann, wenn noch niemand da war. Ich suchte mir Platten mit langen Intros, weil ich das Mixen noch nicht konnte. Ich hörte den Bass, die Hi-Hats, aber es passte nie. Irgendwann, nach einem halben Jahr, kam dieser Moment während des richtigen Auflegens: zwei Platten liefen ineinander. Perfekt. Kein Schieben, kein Driften. Ich stand da und grinste. Oh mein fucking Gott.

Das war der Anfang von allem.

Ich wusste damals noch nichts über Dezibel, Schwellenwerte oder Frequenzen. Ich wusste nur, dass Lautstärke gleich Intensität war. Dass man Musik nicht nur hören, sondern den Bass körperlich fühlen wollte. Was bedeutete, dass deine Sennheiser Kopfhörer im Mixer auf MAXIMAL Volume gedreht waren, damit du überhaupt was hören konntest. Die Leute steckten ihre verdammten Köpfe in die die Boxen. In den Neunzigern war Tinnitus ein Fremdwort. Wir hatten keine Angst vor diesem brüllenden Lärm, weil er unser Zuhause war. Wir liebten es laut.

Der Bruch

Vor einigen Jahren begann es… dieses taube Gefühl immer nach ein, zwei Stunden. Mir war es zu laut, obwohl ich doch schlechter hörte? Deshalb waren einstündige DJ Sets perfekt. Danach wurde es schwierig.

Das letzte Mal jetzt im Oktober, im Revier Südost, stand ich hinter meinem Sohn, während er sein Vinyl-Set spielte. „Mit Papa fühle er sich einfach sicherer“, hatte er gesagt. Vinyl verlangt einem eben mehr ab als Digital. Aber er ist gut. Er kann das. Süß ist es trotzdem.

Ich übernahm. Der Gau kam nach der zweiten Platte. Ich hörte es einfach nicht mehr. Vorhören, also der Abgleich zwischen Kopfhörer und Monitorbox, funktionierte irgendwie noch. Aber sobald beide gleichzeitig auf dem Floor liefen, war alles nur noch Noise. Nicht erkennbar ob es passt. Nicht erkennbar was da eigentlich läuft. Ich stand da wie der letzter Anfänger Idiot. Es war mir peinlich.

Ich hab mich jetzt zwei Jahre seit der Diagnose bei Geers vor einem Hörgerät gedrückt. Nun aber fehlt meinem Sohn und mir neben dem gemeinsamen Zocken (Elden Ring, Helldivers 2, Outriders, Warhammer und Battlefield 6) etwas Wichtiges dass uns verbindet. Das Tracks kaufen. Das Üben zuhause. Das gemeinsame DJing. Also fragte ich mich was da verdammt nochmal mit meinen Ohren los ist und ob ein Hörgerät dabei helfen kann, wieder mixen zu können. Es geht vielen DJs irgendwann ähnlich, auch wenn kaum jemand offen drüber spricht. Laut DJ-Mag leiden bis zu 60 % der professionellen DJs an Tinnitus oder dauerhaftem Hörverlust. „DJs wüssten oft zu wenig über die Folgen zu großer Lärmbelastung“, sagt auch Birgit Mazurek vom Tinnituszentrum der Charité.

Kurz gesagt, ein Hörgerät kann helfen, aber nicht immer so, wie ich es fürs DJing brauche. ABER wenn ich mich beim Auflegen laut mache, überfordere ich mein Restgehör zusätzlich. Ich höre nichts mehr, weil es zu laut ist, nicht weil ich plötzlich taub bin. Das nennt man übrigens temporäre Schwellenverschiebung (temporary threshold shift).

Moderne Hörgeräte verstärken bestimmte Frequenzbereiche, filtern Hintergrundrauschen, gleichen Hörkurven aus. Aber: Sie optimieren Sprache und Alltagsgeräusche, nicht Musik. Viele Modelle komprimieren zudem Dynamik, was beim Mixen eher kontraproduktiv ist. Warum?

Sprache hat eine recht enge Dynamik (etwa 30–40 dB Unterschied zwischen leise und laut), während Musik, besonders elektronische, eine sehr hohe Dynamik und komplexe Obertonstruktur hat. „Komplexe Obertonstruktur“ meint, dass der Sound einem ganzen Bündel von zusätzlichen Frequenzen, den sogenannten Obertönen oder Harmonischen besteht. Wenn du eine Kickdrum hast, deren Grundton vielleicht bei 60 Hz liegt, kommen da noch viele höhere Frequenzen drüber: Attack, Klick, Snare-Anteil, Raumanteil. Wenn DJs am Mixer also die Mitten oder Höhen rausdrehen, entfernen sie nicht einfach „Lautstärke“ sondern Frequenzbereiche, in denen die meisten Obertöne und Transienten sitzen.

  • Bässe (unter ~150 Hz) → Grundton, Fundament, Körpergefühl (Kick, Sub)
  • Mitten (ca. 200 – 4000 Hz) → Präsenz, Wärme, Instrumentenerkennung, Stimme
  • Höhen (ab ~4 kHz aufwärts) → Obertöne, Attack, Schärfe, Räumlichkeit

Nimmst du die Obertöne weg, bleibt nur ein dumpfer, unbestimmter Rest. Der wirkt automatisch leiser und weiter entfernt. Die neue Platte knallt dann sauber mit der Hi-Hat oder Claps rein.

Wenn du in den hohen Frequenzen Hörverlust hast, hörst du genau diese Obertöne nicht mehr richtig. Du nimmst Hi-Hats, Clap-Transienten oder den Klick einer Kickdrum nicht mehr präzise wahr. Und du erkennst schlechter, wann zwei Tracks wirklich deckungsgleich laufen. Wie eine akustische Grauzone, in der die Unterschiede verschwimmen.. alles ist da, aber undefiniert.

Zurück zu den Hörgeräten. Damit Sprache verständlicher wird, verwenden Hörgeräte Mehrband-Kompression: Sie analysieren das Eingangssignal in Frequenzbänder (z. B. Bässe, Mitten, Höhen) und regeln jedes Band separat runter, wenn’s zu laut wird. Das sorgt dafür, dass ein Gespräch im Café nicht unangenehm laut wird, aber du trotzdem jedes Wort hörst.

Beim Auflegen oder Musikhören passiert dadurch Folgendes: Der Bassbereich wird gedämpft, sobald Kickdrum oder Sub anziehen. Transienten (z. B. Hi-Hats, Snare-Anschläge) werden abgeflacht, weil das Gerät sie als „Spitzenlautstärke“ interpretiert. Dadurch geht für dich Verhältnis von laut zu leise flöten, also genau das, was du beim Beatmatching brauchst. Du brauchst beim Auflegen präzises Timing. Wenn dir Frequenzbereiche fehlen, kann das Mixen praktisch unmöglich machen, weil du nicht mehr hörst, ob der zweite Track minimal vor oder hinter dem Beat liegt. Dazu kommt: Einige Hörgeräte haben eine minimale Latenz (Verzögerung), die dich beim Beatmatching komplett aus dem Takt bringen kann.

Einige neuere Geräte (z. B. Widex Moment, Phonak Audéo Lumity) haben deshalb einen „Musikmodus“, bei dem die Kompression deaktiviert oder stark reduziert wird. Dann bleibt mehr Dynamik und Natürlichkeit erhalten, aber das funktioniert nur gut, solange die Umgebung nicht extrem laut ist. Hörgeräte übersteuern aber gern mal schneller, wenn es richtig laut wird, was im Club ebenfalls in einer Katastrophe endet.

Was ich realistisch tun kann. Oder du.


Zu einem Audiologen gehen, aber such dir jemanden, der Musiker behandelt (z. B. Kliniken mit Musikermedizin oder spezialisierte Hörakustiker). Lass dir dort ein audiometrisches Profil machen. Das zeigt dir exakt, welche Frequenzen fehlen. In Berlin macht das die Charite.


Erkundige dich nach Hörgeräten mit Musikmodus (z. B. Phonak, Widex, Signia). Diese Modelle lassen sich so einstellen, dass sie keine Dynamikkompression machen und die Latenz gering bleibt. Sie sind nicht perfekt, aber deutlich besser als Standardgeräte.


Das eigentliche Mixen evtl. über angepasste In-Ear-Monitore (IEMs) mit individuellem EQ-Mapping. Es gibt In-Ears, die speziell für Hörgeschädigte gemappt werden (du bekommst also ein „akustisches Gegenprofil“ zu deiner Hörkurve). Für DJs allgemein sind Marken wie Audio-Technica (ATH-E70), Hörluchs, Ultimate Ears UE-6 Pro oder Sennheiser IE 100 Pro bekannt, die hochwertige IEMs mit ausgewogenem Frequenzgang und guter Pegelfestigkeit anbieten. Diese sind oft in Standard- oder individuell maßgefertigten Ausführungen erhältlich.​ Siehe hier. In-Ear-Monitoring für DJs 2025


Mach einen Pegel-Reset. das lief für mich im digitalen Modus bisher immer ganz gut.

1. Das Monitoring in der Booth komplett aus.

2. Nutz gut isolierte Kopfhörer (z. B. AIAIAI, Sennheiser HD25 mit dichtem Polster)

3. Mixe beide Kanäle nur über Headset. Ist eh sauberer.

4. Sag dem Techniker auch durchaus mal, dass er nicht lauter machen muss.

5. Vor dem Auflegen. Custom-Ohrstöpsel mit 9 dB oder 15 dB Dämpfung (z. B. von Elacin, ACS) sind Pflicht, wenn du dein Restgehör behalten willst.

Wo steh ich jetzt?

Die brutale Wahrheit ist… Sollte mein Hörverlust stark fortgeschritten sein, wird Mixen nie wieder so funktionieren wie früher. Und ich habe das „am unteren Ende der Skala“ nach meinem Besuch bei Geers noch deutlich im Kopf. Ich könnte trotzdem weiter auflegen, nur anders. Mit visuellen Tools anhand der Waveforms zum Beispiel. Oder ich probiere es erst Mal mit dem Hörgerät. Wenn du ähnliche Probleme hast, das solltest du den Hörakustiker fragen:

Kann das Gerät Musik ohne Dynamikkompression verstärken?
(Wenn nicht, wird der Sound „platt“ und Timing wird unmöglich.)

Wie hoch ist die Latenzzeit?
(Alles über 10–15 Millisekunden macht Beatmatching unbrauchbar.)

Gibt es einen „Musikmodus“ oder frei programmierbare Profile?
(Viele gute Modelle wie Widex Moment, Phonak Audéo Lumity oder Oticon Real haben das.)

Wie verhält sich das Gerät bei hohen Pegeln?
(Clublautstärke kann die Eingangsstufen überfahren. Manche Geräte clippen dann.)

Kann ich das Gerät via App selbst feinjustieren?
(Wichtig, um z. B. im Club schnell Höhen anzuheben oder Limiter zu deaktivieren.)

Kann ich ein separates Musikprogramm auf Knopfdruck aktivieren?
(Idealerweise ein Preset: Alltag / Studio / Club.)

Technische Features

FeatureWarum es wichtig ist
Breiter Frequenzgang (bis 10–12 kHz)Für Hi-Hats, Transienten und Beatmatching entscheidend
Musikmodus ohne KompressionSonst verschwinden Dynamik und Timing
Geringe Latenz (<10 ms)Für Cueing unerlässlich
Manuelle Lautstärkeregelung / App-ControlDamit du nicht mitten im Set gefangen bist
Streaming-Funktion (Bluetooth LE Audio)Optional, kannste zum Mixen oder Produzieren testen
Feedback-Management deaktivierbarManche Geräte filtern „Pfeifen“ aggressiv, das kann Hi-Hats killen
Custom-Fit Domes oder OtoplastikenFür stabilen Sitz im Club und weniger Außengeräusche

Was bleibt

Seit zwei ehrenamtliche Helfer bei unserer Musik-Demo „Zug der Liebe“ vor fünf Jahren Hörschäden erlitten, verteilen wir jedes Jahr Gehörschutz an alle Ordner. Ich kann mein Gehör nicht zurückholen, aber ich kann andere davor schützen.

Ich weiß, dass viele Menschen genauso zögern wie ich. Hörprobleme sind etwas, das man überspielt, bis es zu spät ist. Man redet sich ein, es sei Müdigkeit oder Stress. Doch irgendwann ist da nur noch Stille, die sich langsam in dein Leben frisst und es wird irgendwann super nervig bei fast jedem Satz nachzufragen.

Hörverlust verändert alles. Auch den Beruf. Jedes Meeting ist ein Albtraum. Vor allem online. Dann noch English on top, und du bist komplett lost. Gemeinsame Runden im Team, mit Kunden sind ein einziges Nicken ohne auch nur einen Satz mitzubekommen. Letztlich entgeht dir das Leben.

Literatur & Fachquellen