Anita Berber. Nach 10 Jahren das Aus. Das bedeutet auch, nach Stattbad, Brunnen70 bleiben nur noch Panke und Humboldthain als Clubs im Wedding. Hi Tom, magst du dich mal kurz vorstellen?

Hallo. Mein Name ist Tom Clark. Ich bin 51 Jahre alt und hab jetzt zehn Jahre lang die Anita Berber betrieben. Davor habe ich 20 Jahre als DJ gearbeitet. Wer in meiner Altersklasse ist, der sollte den Namen Tom Clark eigentlich kennen . Ich hab davor in vielen Clubs der Stadt gespielt. Zehn Jahre lang. Auch fürs Berghain. Davor für das Ostgut, Watergate und vielen anderen national und International

Anmerkung der Redaktion:

Tom war seit 1992 DJ. Hat  in vielen Berliner Clubs wie Tresor, E-Werk und auf diversen Raves wie Mayday, Love Parade oder Chromapark gespielt. Außerdem hatte er lange Zeit drei Musik Label Highgrade Records, Gold Plate Music und Laufwerk

Du schriebst ja die Gründe für das Aus sind vielschichtig. Aber die Ämter waren schon seit Beginn an auf alle Fälle involviert, was fast immer auf Probleme hinaus läuft siehe Sisyphos, Remise oder auch Jonny Knüppel. Magst du mal mehr ins Detail gehen bezüglich Bauamt und Grünflächenamt?

Das ist natürlich für jede Lokalität sehr unterschiedlich und es gibt von Bezirk zu Bezirk ganz individuelle Situationen. Uns wurde der Raum vom Vermieter, als Nutzung für eine Bar vermietet. Damit fing alles an. Durch meine Vergangenheit in der Musikszene war mir wichtig, dass ich auch eine gute Anlage in der Bar habe. Es entstand etwas zwischen Bar und Club daraus, also es ist einfach gewachsen.

Anmerkung der Redaktion:

Diese Konzepte sind nicht fremd in Berlin. Siehe Sameheads, Zum Böhmischen Dorf, Repeat, Bohnengold, Monarch und wie sie alle heißen. Die berühmteste ist sicher das ehemalige Bergstübl.

Zur gleichen Zeit, als wir anfingen, sind auch noch andere Veranstalter ins Objekt mit eingezogen. Die Panke gibt es hier. Dann gab es das Tangoloft und andere Leute, die auch am Wochenende Partys veranstaltet haben. Zwei Jahre lang ging das einigermaßen gut. Es gab aber verstärkt Anzeigen von den Nachbarn, die jetzt gar nicht unbedingt auf uns zurückzuführen waren, weil wir von Anfang an auch immer darauf geachtet hatten, dass die Fenster geschlossen waren und die Leute sich an der Tür ruhig verhalten. In dieser Zeit gab es leider viele Anzeigen wegen Lärmbelästigung . Das hat das Gewerbeamt, das Bauamt und das Umweltamt auf den Plan gerufen.

Das Bauamt hat sich darauf hin die ganze Situation für das Objekt mal genauer angesehen und festgestellt, dass für das Gebäude gar keine Nutzungsänderung existiert. Die hätte vom Vermieter für öffentliche Veranstaltungen nach 22:00 Uhr beantragt werden müssen. Dann hat die Hausverwaltung mehrfach gewechselt, und der Vermieter hat gesagt okay, wenn ihr weiter im Objekt bleiben wollt, dann müsst ihr einen Bauantrag und eine Nutzungsänderung für Euern Betrieb stellen. Also letztlich seinen Job übernehmen.

Hinzu kam, dass früher das ganze Gelände als Gewerbegebiet ausgewiesen war. In den letzten zehn Jahren wurde das geändert zu einem Gewerbe Mischgebiet. Das heißt, dass Menschen in der Umgebung wohnen, auch in der unmittelbaren Nachbarschaft…. Und damit andere Auflagen gelten, also Lärmschutzauflagen, Bauauflagen für Brandschutz etc. Wir haben dann vor acht Jahren angefangen einen Bauantrag für eine Bar zustellen Uns war klar, dass wir gar keinen Antrag für den Clubbetrieb stellen können, weil das nicht durchkriegen würden.

Der Antrag wurde nach einiger Zeit abgelehnt, mit der Begründung das Gebäude erfülle die Auflagen noch nicht. Der Vermieter musste erst mal nachrüsten mit Brandschutz und diverse Bauauflagen erfüllen. Daraufhin haben wir nochmal einen Antrag gestellt und uns mit dem Bauamt so verständigt, dass wir wenigstens aufmachen und arbeiten können. Der Vermieter hat in den letzten Jahren diverse Veränderungen am Gebäude vorgenommen und sozusagen auch nachgerüstet, was den Brandschutz anbelangt, weitere Bauauflagen erfüllt usw.  Dann hat das Bauamt sich die Sache noch mal angeschaut und kam zu der Feststellung: Wir können erst eine Genehmigung erteilen wenn dir das OK vom Umweltamt haben. Wir wurden dann Lautstärketechnisch eingemessen und limitiert.

Damit konnten wir leben, weil wir natürlich an einer Verständigung und Einigung interessiert waren. Wir wollten irgendwie, dass es auch vorangeht. Das Umweltamt stellte aber nun fest, dass die Belastung für die Nachbarn durch den Zugang zum Gelände zu hoch ist. Es gibt zu viele Veranstalter, die hier veranstalten, und zu viele Menschen würden die Toreinfahrt, den offiziellen Zugang, von der Gerichtstraße kommend, nutzen.

Bei Maximalbetrieb am Wochenende mit allen Veranstaltern könnten so viele Gäste nach 22.00 uhr nicht durch die Vorderhäuser laufen, weil das zu einer zu großen Lärmbelästigung führen würde.

Unser Vorschlag war konstruktiv… dachten wir. Es gibt den Zugang von der Panke auf der Rückseite des Geländes. Gäste haben uns über den Weg auch immer so erreicht und der Weg ist nachts zugänglich. So haben wir beschlossen, die Leute praktisch nur noch über den Pankeweg zu leiten. Das Umweltamt sagte aber: Nein, das geht nicht.

Jetzt müssten wir erst mal mit dem Grünflächenamt reden. Das Grünflächenamt verweigerte daraufhin die Genehmigung kategorisch, da dies eine öffentliche Grünfläche sei und kein offizieller Zugang zum Gelände. Eine Genehmigung kann nicht erteilt werden. Und das Bauamt hat gesagt, wenn Sie keine Genehmigung vom Umweltamt haben, dann können sie uns auch nicht die Baugenehmigung bzw. Nutzungsänderung erteilen.

Anmerkung der Redaktion:

An dieser Stelle im Gespräch brachten wir den „Passierschein A  38“ aus Asterix als passenden Vergleich ins Spiel.

Also das Grünflächenamt ist nicht gewillt, den Zugang zum Gelände zu genehmigen. Das Umweltamt sagt, ohne das Grünflächenamt können sie nichts tun. In der Zwischenzeit sind zudem etliche Sachbearbeiter in Rente gegangen, einige sind seit Jahren krankgeschrieben. Die Akte ist dann in irgendwelchen Aktenbergen verschwunden, was auch nur in Berlin so passieren kann…

Einerseits gut, weil wir natürlich dadurch die Sache strecken und verlängern konnten, aber immer mit der Angst arbeiten mussten, dass jeden Moment Schluss sein konnte und der Betrieb komplett untersagt wird. Ein Horror.

Kleine Anekdote am Rande:  Die Nutzungsänderung als Bar war nicht mehr realistisch. Also haben wir gesagt, okay, wir werden jetzt erstmal eine Nutzungsänderung als Galerie beantragen und die Personenzahl runter korrigieren, dass wir offiziell sozusagen nicht so viele Leute hier haben. Das hat erneut das Bauamt auf den Plan gerufen, die sich alles genauer angesehen haben, zum Beispiel auch unsere Behindertentoilette, die nur behindertengerecht ist, keine Behindertentoilette nach DIN Norm. Das hieß eigentlich einen kompletten Umbau machen, der rein kostentechnisch nicht realisierbar war.

Zumal wir aber ganz oft Rollstuhlfahrer hier hatten die wunderbar über den Notausgang bzw Hintereingang, über einen Fahrstuhl hochkamen und immer begeistert über die Barrierefreiheit und … die Toiletten waren. Alles wunderbar. Aber an so einen Kleinigkeiten hängt sich das Bauamt auf. Das war dann der dritte Antrag für eine Nutzungsänderung.

Vor zwei drei Jahren kam dann noch eine Neubebauung am Panke Ufer hinzu. Die Hälfte der alten Wiesenburg wurde abgerissen. Da gibt es jetzt einen Neubau und neue Wohnungen. Neue Mieter, die in den Bezirk ziehen und sich wundern, warum im Sommer am Abend irgendwo Musik läuft und dann einfach ihr Handy anschmeißen. Gar nicht wissen, woher die Musik kommt. Gucken, was ist da? Na, erst mal eine Anzeige schicken und gar nicht mit den Leuten reden. Das Umweltamt kam dann daraufhin auch wieder zu uns und hat gesagt Ja, also da müssen wir sie jetzt ganz neu einmessen. Da gelten ja ganz neue Auflagen. Das heißt, mit dieser Neueinmessung wäre ein Betrieb überhaupt nicht mehr möglich. Also Musikbetrieb definitiv nicht. Es hapert komplett an der Kommunikation. Ich war ganz oft selbst bei den entsprechenden Ämtern, haben mit den zuständigen Sachbearbeitern gesprochen und probiert pragmatische Lösungen zu finden. Verantwortungen werden aber ab und wegeschoben. Keiner kann was tun, wenn das andere Amt nicht agiert.

Clubs sind jetzt als Kultur anerkannt. Das brachte einen ermäßigten Steuersatz aber half nicht bei dem eigentlichen Problem. Der Anpassung des Gewerbemietrechts und der Baunutzungsverordnung. Stoffel vom Watergate hat das mit der Gewerbemietensteigerung mal öffentlich gemacht und auch beim Anita Berber sind es über die letzten 10 Jahre gab es eine gewaltige Anhebung. Wie hat sich das bei euch entwickelt?

Also die Hausverwaltung hat uns von Anfang an keinen langjährigen Mietvertrag gegeben. Der erste Mietvertrag war auf fünf Jahre limitiert, danach gab es nur noch 1-jährige Mietverträge. Das hatte natürlich damit zu tun, dass die Nutzungsänderung noch nicht durch war.

Mietvertrag und Miete wurde jedes Jahr neu angepasst.

Letztendlich mit einer Mietsteigerung von über 300 % in den letzten 10 Jahren. Hier wurde auch damit argumentiert, das der Vermieter im Gebäude diverse Sanierungen durchführen musste.

Man kann sich natürlich ausrechnen, dass man bei einem so kleinen Betrieb wie die Anita Berber irgendwann an einer Grenze angelangt. Das kann man auch nicht mehr auf die Gäste umlegen.

Anderes Thema: Die aktuellen Gestiegenen Energiepreise für Heizung, Strom, etc. So ein Club ist wesentlich größer und energiefressender als eine Zweizimmer Wohnung. Das dürfte auch bei dir auf der Rechnung nach oben gegangen sein, oder?

Ja, natürlich. Dazu kommen auch über die letzten Jahre gestiegende Personalkosten und steigende Kosten für Wareneinkäufe.

Die Energiekosten wie Heizung, Strom sind teilweise um 200 % gestiegen. Das ist natürlich dann in der Summe zusammen alles ein ordentlicher Batzen, den man nicht mehr bewältigen kann.

Sebastian vom Ritter Butzke meinte zu mir, die Kosten wären um ca. 25% im Einkauf und beim Personal gestiegen, und wenn sich die Probleme der Restaurants und Cafes auf Clubs übertragen lassen, dürftest du auch Probleme haben überhaupt Personal zu finden. Musstest du dich öfter wieder selbst hinter die Bar stellen?

Ja, ich merke das mich das über die letzten Jahre zunehmend mehr belastet hat. Nach der Corona Pandemie sind viele Bar Leute abgewandert. Es ist viel schwieriger gute, fähige Leute zu finden. Die letzten zwei Corona Jahre konnte ich nur relativ gut ausgleichen mit unglaublich viel Eigeneinsatz.

Ich habe fast jedes Wochenende irgendwie Personal Probleme, was dazu führt das ich selber hinter dem Tresen stehe, den Laden aufschließe und den Laden abschließe. Ich habe hier z.b keinen Techniker, der sich um den Sound kümmert. Es muss etwas vorbereitet umgebaut oder aufgebaut werden, irgendwas funktioniert nicht. Jemand muss vor Ort sein, der sich damit auskennt. Und das bin ich. Und dementsprechend bin ich auch fast immer den ganzen Abend oder das ganze Wochenende vor Ort. Und das schlaucht natürlich.

10 Jahre sind eine lange Zeit, vor allem für Berliner Clubs. Ralf vom Suicide, Dimitri vom Tresor, Sascha vom Sage … ihr seid nicht mehr die jüngsten, und ich denke, du machst noch mehr als die drei genannten selbst im Laden. Wurde das Aufmachen, Zumachen, Planen, auch einfach zu viel aufgrund 10 Jahre Ackern und du bist ein Jahr älter als ich, also 51, da schlaucht das schon, oder?

Klar ich merke, dass ich einfach über die ganze Zeit langsam mehr und mehr ausbrenne. Und es beginnt praktisch auch Spuren zu zeigen. Ich muss jetzt die Notbremse ziehen , um mich auch selber zu schützen. Die Umstände sind wie sie sind, Leider. Eine Fortführung des Betriebes unrealistisch und mehr und mehr unwirtschaftlich. Eine Auszeit ist jetzt erst mal notwendig.