Wie Black Art gefeiert wird, ohne dass sie stattfindet – eine Kritik an kulturellem Klatschen ohne Rückgabe. Amapiano ist ein elektronisches Musikgenre aus Südafrika – entstanden etwa ab 2012 in den Townships von Pretoria und Johannesburg. Der Name bedeutet auf Zulu grob „die Pianos“ (von „ama“ = Pluralpräfix + „piano“) und verweist auf den oft jazzigen, flächigen Keyboard-Sound um die 113–117 BPM angesiedelt. Ja das ist ganz schön langsam…
Amapiano ist überall. TikTok, Paris, Boiler Room, London, TikTok-Reels. Aber nicht in deutschen Clubs. Nicht in den Line-ups. Nicht als Bewegung.
Warum eigentlich?
Ein DJ auf Instagram bringt es auf den Punkt:
„Ich habe Festivals veranstaltet, Markenpartnerschaften umgesetzt, alles gegeben – aber das deutsche Publikum bleibt zurückhaltend. Und das tut weh.“
– @black_future_frequency
Was er beschreibt, ist mehr als Booking-Müdigkeit. Es ist eine strukturelle Ablehnung gegenüber Black Innovation. Es ist Negrophilia in Reinform: Die Szene feiert die Ästhetik, streamt den Sound, teilt die Reels – aber öffnet keine echten Bühnen.
Der Sound aus dem Township, nicht aus dem Preset-Ordner
Amapiano kommt nicht aus Berlin-Mitte oder Ableton-Tutorials. Es ist ein sozialer Sound. Black-owned, geboren aus Kontext, Community, Überleben, Freude, Schmerz. Also eigentlich wie Underground Resistance aus Detroit. Nur: statt Maschinenfunk gibt’s langsame Basslines, statt kämpferischer Techno-Rhetorik das kompromisslose Weichzeichnen.
Aber das Prinzip ist dasselbe:
→ Musik als Befreiungstool.
→ Der Dancefloor als politischer Raum.
→ Das Kollektiv als Organisationsform gegen Marginalisierung.
Und genau wie bei UR in den 90ern gilt: Wer das nur als Soundästhetik liest, hat nichts verstanden.
Und trotzdem: In Deutschland wird Amapiano oft als Trend konsumiert, aber nicht als Kultur verstanden. Clubs buchen lieber Altbekanntes. Afrobeat ja. Afrotech meinetwegen. Aber Amapiano? Zu langsam. Zu subtil. Zu wenig „drückend“.
„Ich hab’s erlebt: Auch viele Westafrikaner:innen in Deutschland hassen Amapiano. Sie sagen, es klingt zu soft. Zu mellow. Sie fordern: Mach das aus.“
Das ist keine Kritik. Das ist kulturelle Selbstzensur. Und sie trifft vor allem die DJs, die sich auf diesen Sound eingelassen haben.
Was hat das mit Negrophilia zu tun?
Negrophilia bedeutet: Blackness wird konsumiert – aber nicht respektiert.
Der Club spielt den Sound, aber nicht den Kontext.
Der Booker bucht die Ästhetik, aber nicht die Community.
Das Publikum feiert „Uncle Waffles“ – aber kennt keine lokalen Black Artists.
Es geht nicht nur ums Geld. Es geht um Zugang, Infrastruktur, Vertrauen.
Denn, wie ein weiterer Post sagt:
„Immer dieselben 4–5 Headliner. TXC, Uncle Waffles, Two Bunnies. Wo bleibt die nächste Generation?“
Und weiter:
„Amapiano ist bigger than ego. Es wurde für die Menschen gemacht. Nicht für Gagen-Exklusivität.“
Gruppen wie Black Future Frequency, die der Grund für diesen Artikel sind, stehen an einem paradoxen Punkt: Sie tragen kulturell innovative Sounds, aber müssen im gleichen Markt performen wie Tech-House-Kollektive mit breit abgesicherter Crowd, guter PR und „massentauglichem“ Booking. Und das funktioniert oft nur, wenn man sich dem angleicht – was wiederum die Idee von Amapiano als eigenständigem Movement untergräbt. Sie müssen „liefern“ – aber wollen auch „educaten“. Sie sollen kulturell radikal sein – aber müssen auch barumsatzkompatibel sein.
Das Community-Paradox: Black Sounds in weißen Strukturen
„Sie nennen’s Underground, aber Black Sounds sind angeblich zu speziell.“
Das Absurde daran? Diese Kollektive gelten bis heute als „Nische“. Als „zu speziell“. Als „nicht massentauglich“. In einer Stadt, deren Clubszene sich pausenlos damit brüstet, Underground zu sein. Berliner Clubs feiern Nonkonformität – aber scheitern oft, wenn Blackness auch Sound ist. Trotz des Detroit Fetischs.
Aber weil ich oben diese erfolgreichen Tech House Kollektive erwähnte… Bereits lange vor Amapiano etablierten schwarze Kollektive eigene Sounds und Erzählungen. Kollektive wie RISE oder Freak de l’Afrique brachten Afro-Techno, Afro-House und hybride Sounds auf die Floors – und damit auch politische Identität. Sie haben Räume geöffnet, Brücken gebaut, Community geschaffen.
- RISE etwa war mehr als ein Partylabel – es war ein kultureller Kristallisationspunkt. Internationale Bookings, Residency in der Ritter Butzke, eine Handschrift, die man hören konnte.
Freak de l’Afrique brachte afrikanischen Pop, House und Electronica in einen Clubkontext, der sonst oft nur westliche Elektronik kannte.
NUR… um den Kreis zu schließen: RISE, Freak de l’Afrique und vergleichbare Kollektive in Berlin bewegen sich stilistisch häufig innerhalb von westlich geprägten Clubstrukturen – sprich: House, Deep House, Techno, Afro-House, teilweise sogar melodic techno (sigh). Diese Genres sind für weiße Booker*innen und Publikum zugänglich – sowohl rhythmisch als auch visuell undwirtschaftlich kalkulierbar (Four-to-the-floor = safe floorfill).
Die Insta-Kommentare sprechen eine klare Sprache: Die Liebe zu Amapiano ist da – aber die Strukturen fehlen. Nicht nur in Form von Bookings, sondern auch in der Art, wie der Sound in Deutschland präsentiert wird. DJ-Sets mit auf 130 BPM hochgepitchtem Material, fehlende südafrikanische MCs, keine Tänzer*innen, keine Visuals.
„Where are we rushing to?“ fragen sich viele – und beklagen, dass Amapiano-Events in Deutschland oft ihre Seele verlieren. Selbst innerhalb der afrikanischen Diaspora gibt es Spannungen: Während westafrikanisch dominierte Bookings den Ton angeben, fühlen sich Southern Africans kaum repräsentiert. Und obwohl Hamburg und Berlin mit Formaten wie Junk Park und WeLoveAmapiano_ vereinzelt Highlights liefern, bleibt der Eindruck: Es fehlt an echtem Community-Aufbau. Die UK oder Niederlande zeigen, wie’s gehen könnte – mit Kooperation, Respekt, Kontext. In Deutschland dagegen herrscht oft Konkurrenz, Verwirrung, Tempo-Terror.