Die wirklichen Clubsounds von Paris entstehen nicht in der Rue Oberkampf oder im Line-up vom Rex Club. Sie brodeln in den Banlieues. In Vororten, die oft nur mit Brennpunkt-Schlagzeilen in den Nachrichten auftauchen, entwickelt sich ein Bass-Universum, das sich nicht interessiert für Techno-Intellektualismus oder Edits aus dem Berghain.
Hier geht’s um Afrotrap, Dancehall, Ghettotech, Raï 2.0, Bounce, um Partys in Community-Zentren, Basketballhallen, Garagen. Und um Sichtbarkeit für POC-Artists, die in der Innenstadt nie gecastet werden würden.
Kollektiver Sound, nicht kuratierter Club
Die Crews heißen Black Square, Sœurs Mêlées oder Radio Banlieue. Sie organisieren Open-Air-Jams auf Basketballplätzen, veranstalten Block-Partys ohne Genehmigung oder streamen 3-Stunden-Sets aus Hochhausfluren.
Die Szene ist jung, meist unter 25. Viele Artists sind BIPOC, oft mit familiären Wurzeln in Westafrika, Nordafrika, der Karibik. Ihre Tracks laufen auf YouTube, Insta oder im Untergeschoss von RER-Bahnhöfen. Der Sound ist rough, hybrid, unfertig – und genau deshalb kraftvoll.
Drei Dinge, die Banlieue-Clubkultur ausmachen
Community first
Partys sind Nachbarschaftsprojekte. Eintritt kostet oft nichts. Die Crews arbeiten kollektiv, viele Gigs sind Open Mic oder Open Deck. Es geht nicht um Stil, sondern um Präsenz.
Afrotrap everywhere
Afrotrap ist mehr als ein Genre. Es ist Soundtrack und Lifestyle. Beats aus Paris treffen afrobeats aus Dakar, Drill aus London und Trap aus Atlanta. Alles vermischt sich, alles klingt nach Straße.
DIY statt Clubgatekeeping
Es gibt keine klassischen Bookings. Die meisten Artists bauen sich selbst Reichweite – über TikTok, eigene Radioshows oder Block-Raves. Club als institutionelles Format spielt kaum eine Rolle.
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Afrotrap
Genre-Mix aus französischem Rap, afrikanischen Rhythmen und Trap-Elementen. Entstanden in den Pariser Banlieues, geprägt von Artists wie MHD. Oft tanzbar, oft politisch, immer hybrid.
Dancehall
Ein Genre aus Jamaika, das aus dem Reggae hervorging. Schneller, digitaler, roher. In den Banlieues wird Dancehall oft mit Rap, Trap oder Afrobeat gemischt – als Tanzsound und als Haltung.
Ghettotech
Schneller Hybrid aus Detroit-Techno, Miami Bass und Hip-Hop. Funktional, explizit, looplastig. Wird selten gefeiert, aber oft getanzt. Besonders in DIY-Szenen und auf Block-Partys.
Raï 2.0
Moderne Weiterentwicklung des algerischen Raï. Mit Auto-Tune, Trap-Drums und Synth-Flächen. Entstanden in französisch-nordafrikanischen Communities – irgendwo zwischen Melancholie und Modus.
Bounce
Ein lokales Subgenre aus New Orleans. Hohe BPM, Call-and-Response-Vocals, stark auf Twerking fokussiert. In Paris oft als Sample-Quelle oder Bass-Grundlage verwendet.