Tbilisi hat keine Techno-Szene. Es hat eine Bewegung. Was in Berlin als Hedonismus gilt, ist in Georgien politisch. Nach Jahren der Polizeigewalt, Diskriminierung und systematischen Einschüchterung hat sich rund um Clubs wie Bassiani und Khidi eine neue Form von Nachtkultur gebildet: laut, queer, solidarisch, strategisch.
Die Nächte in Tbilisi sind keine Auszeit. Sie sind Ausdruck. Und Eskalation.
Tanzfläche gegen Staat
2018 stürmte die Polizei das Bassiani. Mitten in der Nacht. Ohne Warnung. Die Reaktion war historisch: Tausende Menschen versammelten sich zum Rave-Protest vor dem Parlament. In Jogginghose und Glitzer. Mit Plakaten und Bässen. Gegen Polizeigewalt. Für Freiheit. Für das Recht, zu tanzen.
Seitdem hat sich viel verändert – aber nichts beruhigt.
Die Clubszene bleibt ein fragiles Gleichgewicht aus Ausdruck und Risiko. Viele Artists sind queer, migrantisch, antifaschistisch. Gigs finden auch in Galerien, Bunkern und Hinterhöfen statt. Die politische Lage ist instabil. Die Beats sind es nicht.
Drei Dinge, die Tbilisi definieren
- Clubs als Zellen. Bassiani und Khidi sind keine Orte, sie sind Infrastrukturen. Mit eigenen Sicherheitskonzepten, politischen Statements, klarer Kuration.
- Sound als Zeichen. Der Tbilisi-Sound ist dunkel, schwer, mechanisch. Techno ohne Euphorie. Dafür mit Haltung. Viel Industrial, wenig Fluff.
- Gegenmacht von unten. Queer-Gruppen, Aktivistinnen, DJs und Visual Artists arbeiten zusammen. Was zählt, ist nicht Fame, sondern Verbundenheit. Nicht Szene, sondern Schutzraum.
Post-sowjetisch
Bezeichnung für kulturelle Realitäten, die nach dem Zerfall der Sowjetunion entstanden sind. In Tbilisi oft geprägt von Widersprüchen zwischen autoritärem Erbe und neuen sozialen Bewegungen.