Das SchwuZ wurde 1977 als „SchwulenZentrum“ gegründet aus der Homosexuellen Aktion Westberlin. Die Initiatoren öffneten erstmals einen Raum, der sich nicht versteckte, sondern politisches und kulturelles Leben sichtbar machte. Mit Plena, Benefizveranstaltungen und Aktionen entstand ein Treffpunkt für queere Communitys. Erste Berliner CSDs und die Gründung der Zeitschrift Siegessäule gingen aus diesem Umfeld hervor. In den folgenden Jahrzehnten tourten Musiker wie Blondie oder Rick Astley durch die Partyräume.

Der Umzug 2013 in die ehemalige Kindl-Brauerei in Neukölln sollte Wachstum ermöglichen. Er war aber, so wird rückblickend betrachtet, ein Beginn der Belastung, denn die Fläche brachte massive Fixkosten. Ende 2023 wurde deutlich, dass 2024 mit einem hohen Defizit enden würde. Gegenmaßnahmen im Sommer 2024 führten zwar zu Personalabbau von etwa 30 Mitarbeitenden (rund ein Drittel), Reduktion von Shows und strukturellen Veränderungen; jedoch reichte das alles nicht. Im August 2025 meldete das SchwuZ schließlich mit Defiziten zwischen 30.000 und 60.000 Euro monatlich die Insolvenz an. Eine Crowdfunding-Kampagne brachte nur knapp 3.000 Euro statt der angestrebten 150.000 Euro. Die Geschäftsführung kündigte an, den Clubbetrieb bis Oktober 2025 weiterzuführen und Gehälter zu zahlen

Interessanterweise waren es 2020 bei Startnext noch 43.352 € was Parallelen zu den sinkenden CF Einnahmen des Zug der Liebe zeigt. Das steht exemplarisch für einen breiteren Ermüdungseffekt innerhalb der solidarischen Kulturszene. Spendenbereitschaft ist endlich. Besonders in wirtschaftlich angespannten Zeiten.



Wir haben die knapp 700 Kommentare zum Insolvenz Post auf Instagram mal ausgewertet.

Kritikpunkte der Community

Musik und Programmgestaltung

Die absolut häufigste Aussage der Kommentare betrifft die Musik. Viele stellen fest dass seit Jahren derselbe Mix lief, Songs mehrfach pro Abend kamen und kaum „zeitgenössische“ Popmusik (was immer das auch sein mag…) eingezogen wurde. Aber DJ­s bestätigen: sobald unbekannte Tracks gespielt wurden, verließ die Tanzfläche abrupt an Fülle. Trotz Kritik wurde offenbar wenig programmatische Innovation unternommen. Das Publikum fühlt sich gelangweilt, die Stimmung leidet.

Preise und Bar-Ökonomie

Eintrittspreise bis zu 20 Euro, Getränkekosten und lange Schlangen ohne Wertschöpfung erzeugen Frust. Viele sehen den Club nicht mehr als inklusive Anlaufstelle, sondern als exklusives Angebot für zahlungskräftige Gäste. Kritik richtet sich auf wirtschaftliche Strategie: Spenden werden eingesammelt, während Preise exorbitant wirken. Vorschläge wie niedriger Eintritt oder Abo-Modelle werden zu häufig genannt.

Zugangs- und Türpolitik

Einige Gäste berichteten davon, dass sie sich als cis Männer, ältere queere oder nicht-binäre Personen regelmäßig rechtfertigen müssten. Formulierungen wie „Weißt du, wo du hier bist?“ erzeugten Ausgrenzung statt Inklusion. Sicherungs- und Awareness-Teams wirkten unsichtbar oder ineffektiv. Eine Atmosphäre von Kontrolle und Bewertung ersetzte für manche das Gefühl eines Safe Spaces.

Diversitätsverständnis

Mehrere Kommentare hoben hervor, dass das SchwuZ zunehmend ein homogenes Zielpublikum habe. Ältere, migrantische oder nicht-binäre Besucher fühlten sich weniger angesprochen. Die FLINTA-only Events wurden teilweise als exkludierend empfunden, während manche queere Menschen kaum Partys fanden, die ihren Bedürfnissen entsprechen.

Managementkritik

Langfristige Kritik betrifft strukturelle Entscheidungen: Standortwahl, Größe des Clubs, mangelnde Transparenz, fehlende Selbstkritik des Vorstands. Einige beschreiben eine Betriebsblindheit, die Probleme ignorierte bis sie existenzbedrohend wurden. Forderungen reichen bis zum Rücktritt der Geschäftsführung nach Insolvenz

Das Thema Politische Bruchlinien spielt hier leider auch rein.

Nahostkonflikt und Palästina-Debatte

Ein besonders scharfer Riss ist die Auseinandersetzung um die Positionierung zum Gaza-Konflikt. Die Intifada Cosplayer Teile des Publikums werfen dem SchwuZ vor, pro-palästinensische Stimmen zu zensieren, Künstler:innen auszusortieren oder politische Inhalte zu unterdrücken. Andere kritisieren, dass der Club sich nicht klar genug positionierte. Einige sehen in der fehlenden Haltung einen Grund, nicht mehr zu kommen. Der Konflikt führte zu tiefem Vertrauensverlust, zum Teil toxischer Debatten und öffentlicher Spaltung innerhalb der queeren Community.

Kommentare mit Bezug zu Zionismus, Israel, Palästina oder Nahostkonflikt

  • Maybe siding with zionists wasn’t profitable enough!
  • Der Vorschlag, Gaza und eine klare Antigenozid-Positionierung in eure Strategie zur Publikumsansprache zu integrieren, ist keine ungetestete Idee. Ein Beispiel dafür ist das Whole Festival: In diesem Jahr stellten sie Gaza in den Mittelpunkt ihrer Kampagne als eindeutiges Zeichen der Solidarität – und verkauften zum ersten Mal in ihrer Geschichte sämtliche Tickets.
  • Pro-palästinensische Gäste und Künstler*innen wurden schikaniert, T-Shirts hinterfragt, Statements unterdrückt.
  • Schlechte Musik und gegen Palästina-Solidarität? NEIN DANKE
  • Hört auf palästina-solidarische Stimmen zu zensieren

Ein sehr guter Kommentar hinterfragt diese ganze Bubble:

2025, Gewalt & Stimmungsmache gegen queere Menschen ist auf einem Allzeithoch (so wie auch die Gewalt gegen jüdische Menschen btw.) und die Leute klatschen dem Downfall eines queeren Clubs Beifall, weil dieser sich – checks notes – „nicht richtig“ zum Nahostkonflikt positioniert hat. Das ist wohl das Ergebnis, wenn man die eigenen identitätspolitischen Kämpfe nur noch in der isolierten Bubble austrägt und mit einem Mal Kontakt zur Außenwelt bekommt. Fragt ihr eigentlich auch nach dem Standpunkt des Clubs zum Ukraine-Krieg, zum Bürgerkrieg im Sudan, zu Westsahara, zur iranischen Destabilisierung des Nahen Ostens oder ist das alles nicht so geil auf Social Media vermarktbar?

Politische Identität vs Erlebbares Vergnügen

Ein weiterer Bruch liegt darin, wie das SchwuZ seine politischen Positionen zur Schau stellte. Einige Gäste empfanden Politikbetontheit als überzogen und nicht mehr anschlussfähig an das Bedürfnis nach Spaß, Musik oder Untergrundästhetik. Die Balance zwischen Aktivismus und Clubbetrieb scheint verloren gegangen: aus einem Ort zum Tanzen wurde ein politisches Kollektiv, das belehrte statt eskapistische Räume schuf.

ABER: Das SchwuZ war nie unpolitisch. Es war immer ein politischer Ort – weil es gar nicht anders ging. Und jetzt, wo es genau diese Haltung weiterträgt, wird sie plötzlich als „zu viel“, „zu links“ oder „belehrend“ gelesen. Das ist nicht nur widersprüchlich es ist geschichtsvergessen und dumm.

Das SchwuZ wurde gegründet, weil es keine Räume für queere Menschen gab. Es war politisch, weil Sichtbarkeit gefährlich war. Wer heute sagt, das SchwuZ sei „zu politisch geworden“, blendet aus, wofür dieser Laden überhaupt mal gegründet wurde. Er blendet aus, dass lesbische Sichtbarkeit kein Mainstream-Thema war. Dass trans Feiern keine Selbstverständlichkeit waren. Dass es Jahre gedauert hat, um FLINTA-Security durchzusetzen, Awareness-Teams, Safer Spaces. Das eigentliche Problem liegt also nicht in der Haltung des SchwuZ, sondern in der veränderten Erwartungshaltung eines Teils des Publikums: Wer früher kam, um Subversion zu feiern, will heute Service. Wer sich früher wegen Haltung sicher fühlte, beschwert sich heute, „belehrt“ zu werden. Und wer das Gefühl hat, nicht mehr angesprochen zu werden, stellt nicht die eigene Perspektive infrage sondern den Club. Ja, das SchwuZ hat sicher Fehler gemacht. Aber Politik zur Problemzone zu erklären, ist nicht nur kurzsichtig, es ist Verrat am Ursprung.

Graswurzel vs kommerzielle Institution

Historisch war das SchwuZ basisdemokratisch und von der Community getragen. Heute wird es jedoch als professionell geführtes Unternehmen wahrgenommen, mit Businessmodellen, Sponsoren, hohen Kosten. Das hat für viele das Gefühl einer Verbindung zur Community verloren.

Aber da ist noch mehr: Ein Gefühl, das gerade viele teilen und das nicht nur im Clubkontext. Der Zerfallsdruck einer Community, die einst für „Wir“ bzw. „Love & Unity“ stand und heute oft nur noch „Ich, aber korrekt bitte“ bzw. „Geh aus der Kamera“ ruft.

Queer ist ein Minenfeld. Schwule gegen Lesben, Cis gegen Trans, Alt gegen Jung. FLINTA-only versus offene Inklusion. Jede Gruppe kämpft um Sichtbarkeit – und verliert dabei oft den Blick für die anderen.

Für mich hat das SchwuZ hat über Jahrzehnte Räume geschaffen. Für Lesben, für Schwule, für Drag-Künstlerinnen, für Migrantinnen, für trans und nicht-binäre Menschen, für Leute ohne Geld, ohne Safe Space, ohne Sprache. Das war nie bequem. Es war Arbeit. Es war politisch. Und es war groß. Dass genau dieses Haus jetzt unter Beschuss gerät, ist ein strukturelles Versagen der Solidarität. Eine Solidarität, die längst in einer gesellschaftlichen Stimmung der Egalheit verdampft ist, die den Kapitalismus in seiner gleichgültigen Endabfüllung bis zur Neige inhaliert hat.

Vorschläge aus der Community

Gemeinschaftsgetragene Modelle

Viele fordern eine Umstrukturierung zu Genossenschaft oder Verein. Publikum bekommt Anteile, Verantwortung und Mitsprache. Crowdfunding-Kampagnen mit klarer Transparenz über Einnahmen und Ausgaben sollen das Vertrauen wiederherstellen und Engagement fördern.

Musikstrategie neu denken

Ein neues Booking-Konzept, professionellere DJs, mutigerer Umgang mit „zeitgenössischer“ Musik, Remix-Kultur, progressive Pop-Acts. Mix aus bekannten Hits und Underground-Tracks sollte die Tanzfläche erneut beleben. DJs sollen Feedback ernst nehmen und nicht nur dem Wunsch nach schnellen Hits folgen.

Preispolitik und Zugänglichkeit

Einstiegspreise von maximal 10 Euro (was echt unrealistisch ist…), mehr Barzahlungsmöglichkeiten, Abo-Modelle wie SchwuZ Unlimited attraktiver bewerben. Community-orientierte Vergünstigungen schaffen ökonomische Inklusion. Preise sollten zum Publikum passen und Konsum anregen, nicht blockieren.

Räumliche und programmatische Diversifizierung

Ein Umzug in kleinere, charmantere Räume – eventuell deutlicher technologiebasiert, flexibler und günstiger. Projekte wie queer-zentrierte Tagesbetriebe, Workshops, DIY-Formate sollen das Konzept auffrischen. Ideen: frühere Partys, Cis-Männer-Abende, FLINTA-Formate, Öffnung für BIPoC-Queers, intergenerationelle Events.

Kommunikation und Transparenz

Offene Kommunikation über finanzielle Lage, Betriebszahlen und Herausforderungen. Umfrageinstrumente einführen, Community aktiv beteiligen. Kritik soll nicht als Angriff verstanden werden, sondern als Impuls zur Veränderung.

Stimmungsbild

Die Stimmen der Community sind emotional geladen. Viele würden bleiben, erinnern sich an prägende Nächte und queere Heimat. Sie sehen das SchwuZ als Leuchtturm der Berliner LGBTIA-Szene, als Ort, der Generationen geprägt hat. Sie litten mit, aber sie klagen auch. Die Loyalität ist groß – aber die Forderungen sind klar: Es muss sich etwas ändern. Der Verlust wäre nicht nur ein wirtschaftlicher, sondern ein kultureller Einschnitt für Berlin.

Die Stimmung schwankt zwischen tiefer Trauer („wenn ihr sterbt, stirbt ein Stück Geschichte“) und zorniger Kritik („selbst schuld“, „wart nie erreichbar für Feedback“). Gleichzeitig dominieren Vorschläge: viele wollen helfen – mit Geld, Input, Teilhabe. Sie betonen: eine Insolvenz kann auch ein Neuanfang sein. Wenn das SchwuZ bereit ist, zuzuhören und strukturell umzudenken, kann es transformieren und weiterleben. Ohne Veränderung hingegen droht das Publikum sich dauerhaft abzuwenden.

Insgesamt entsteht ein differenziertes Bild: Das SchwuZ ist für viele mehr als ein Club – es war lange ein lebendiges Forum für queere Kultur und Bewegung. Der Ruf zur Rettung ist laut. Doch die Community fordert zugleich Offenheit, partizipative Erneuerung und echte Reflexion. Eingelöst werden muss ein Angebot, das Spaß, Safe Space, Identität und politische Haltung miteinander verbindet, ohne in dogmatische Monokultur zu verfallen. Die Hoffnung bleibt: das SchwuZ kann wieder relevanter werden – aber es muss sich beweisen, zuhören und selbstkritisch sein.