Ein letztes Kapitel subkultureller Selbstermächtigung in Halle….

Mit der Ankündigung, den Club Station Endlos Ende Februar 2026 endgültig zu schließen, geht ein Stück alternativer Kultur in Halle (Saale) verloren. Der Abschied markiert nicht nur das Ende eines Veranstaltungsorts, sondern signalisiert, wie prekär Freiräume außerhalb kommerzieller Logiken geworden sind und wie sehr diese Orte auf emotionale Energie, politischen Rückhalt und oft unsichtbare Solidarität angewiesen sind.

Der Ort: Zwischen Burg‐Charme und DIY-Raum

Station Endlos, oft schlicht „das Endlos“ genannt, war mehr als ein Nachtclub. Seit seiner Gründung (ca. 2015) fungierte er als Experimentierraum für elektronische Musik, kulturelle Diversität und künstlerische Selbstorganisation. In vielen Berichten wird das Endlos als „progressiv, lokal verankert“ beschrieben; als Ort, an dem Newcomer:innen Chancen erhielten und Grenzen zwischen Club, Konzert, Ausstellung oder Workshop verschwammen.

Das Gelände, in Halle-Ost gelegen, beherbergte nicht nur Tanzflächen, sondern auch Werkstätten und Studios; es war ein hybrid genutztes Areal, in dem Kulturproduktion praktisch gelebt wurde. Dieser fließende, informelle Charakter war Teil seines besonderen Reizes: kein Glitzer­palast, sondern ein Freiraum, improvisiert, mit Ecken und Kanten, getragen von Ehrenamt, Ideen und einer Community, die über Jahre hinweg investierte.

In den lokalen Medien wurde das Endlos als „Ausnahmestelle“ der halleschen Clublandschaft bezeichnet;: als eine Adresse, die über Halle hinaus Beachtung fand, gerade wegen ihres unkommerziellen, emanzipatorischen Anspruchs.

Der Polizeieinsatz und seine Symbolkraft

Vor dem Hintergrund der Schließungsankündigung stand ein massiver Polizeieinsatz, der medial große Wellen schlug. Anfang September 2025 wurde auf dem Industriegelände, das das Endlos mitnutzt, eine Razzia durchgeführt: Laut GROOVE wurden Drogen, Bargeld, Waffen und eine Indoor-Cannabisanlage sichergestellt. Die Ermittlungen galten sämtlichen Einheiten auf dem Areal, darunter Gewerbe, Bewohner:innen und das Clubgelände.

Die Betreiber:innen des Endlos äußerten sich in einem Statement „sprachlos“ über die Vorfälle und betonten, sie seien „in Mitleidenschaft gezogene Dritte“. Es besteht keine öffentliche Verbindung zwischen dem Clubbetrieb und den mutmaßlichen Straftaten; die Schließung solle nicht als direkte Folge des Einsatzes verstanden werden. Dennoch hat der Vorfall eine Signalwirkung: Für viele war es ein Wendepunkt, eine Zäsur in einem ohnehin schon angeschlagenen Betrieb.

Dass eine solche Razzia Schlaglicht auf einen kulturellen Freiraum wirft und damit auch Fragen von Kontrolle, Legitimierung und städtischer Wahrnehmung ist symptomatisch: Clubs mit alternativer Ausrichtung leben in einer ständigen Spannung zwischen Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit, zwischen Selbstermächtigung und staatlicher Regulierung. Deswegen schauen wir uns kurz mal Berlin an.

Die „Kontrollen“ laufen in BERLIN oft nicht als große Drogenfahndung, sondern als bürokratischer Dauerbeschuss. Mal geht’s um Lärmschutz, mal um Brandschutz, mal um Baugenehmigungen oder Wasserleitungen… alles legitime Auflagen auf dem Papier, aber im Effekt eine schleichende Erosion von Freiräumen. „Wir wollen Subkultur als Aushängeschild, aber bitte nicht mit all ihren Eigenheiten“ zieht sich durch alle Städte. Halle unterscheidet sich da gar nicht so sehr von Berlin. Nur dass in Berlin die Szene noch mehr Schlagkraft hat (mediale Aufmerksamkeit), während in einer kleineren Stadt wie Halle die Betreiber:innen noch isolierter wirken und der Druck dadurch schneller existenzbedrohend wird.

Fälle in Berlin, in denen Clubs oder subkulturelle Orte von Behörden, Ämtern und Genehmigungsfragen hart bedrängt oder ganz geschlossen wurden. WICHTIG DABEI: Nicht jeder Fall gleicht exakt deinem „Polizei gegen Subkultur“-Narrativ, aber sie zeigen das gleiche Spannungsfeld zwischen Sichtbarkeit, Regulierung und institutionellem Druck. Hier eine kleine Sammlung:

Stattbad Wedding

Das wohl prominenteste Beispiel: Das ehemalige Hallenbad wurde als „Stattbad“ genutzt und 2015 offiziell von Behörden geschlossen. Hauptursache war, dass bei einer Brandschutzprüfung festgestellt wurde, dass das Objekt keine ausreichenden Brandschutzmaßnahmen (Sprinkler, Sicherheitsbeleuchtung etc.) hatte und die Nutzung als Club/Event-Location nicht genehmigungsfähig erschien. Laut Tagesspiegel gab es keine Genehmigung für eine Vergnügungsstätte, der Clubbetrieb war formal nicht erlaubt, die Betreiber:innen hatten sich offenbar über bestehende Genehmigungsgrenzen hinweg bewegt. In der Darstellung bei Groove und weiteren Medien wird der Brandschutz als „Verhängnis“ genannt neue Brandschutzregeln haben generell Druck auf Clubs erhöht. Auch in Berichten heißt es, dass eine anonyme Anzeige oder Mängelanzeigen dazu führten, dass Behörden aktiv wurden. Ein Gerücht besagt, dass die Kulturleute im haus die Clubleute im Haus angezeigt hätten, aber das ist ein GERÜCHT und null belegt.

Fiese Remise / RE:MISE

Der Club Fiese Remise in Kreuzberg beim Sage Beach in der Koepenicker Straße war über Jahre ein bedeutender Ort für experimentelle Party- und Clubkultur. Später wurde er unter dem Namen RE:MISE weitergeführt, bevor er am bisherigen Standort 2023 seine Pforten schloss. In Groove hieß es, der Mietvertrag wurde nicht verlängert, also Druck durch den Eigentümer und möglicherweise kommerzielle/räumliche Umstrukturierung.

ABER hier gibt es GOOD NEWS: Die Remise macht nächstes Jahr wieder auf. E sind sogar zwei Stockwerke geplant. Und es gibt einen 10 Jahresvertrag für das Gelände.

In einem Interview mit Tom Clark (ehemaliger Betreiber des Clubs Anita Berber) nennt er explizit, dass Ämter (Bauamt, Umweltamt, Gewerbeamt) durch Beschwerden von Nachbarn oder Anzeigen beteiligt waren und dass das ein häufiger Hebel ist, um Druck auf alternative Projekte aufzubauen. THE CLUBMAP Die Groove weist darauf hin, dass neue Brandschutzverordnungen in Berlin 2019 für Clubs problematisch sind, besonders wenn nicht genehmigte Räume betroffen sind. Das heißt: Auch wenn kein spektakulärer Polizeieinsatz stattfindet, entstehen durch solche Regelungen strukturelle Risiken.

Nicht jeder Fall ist exakt vergleichbar: Die Razzia in Halle war spektakulär (Polizei, Drogenvorwürfe etc.), während in Berlin die meisten Konflikte eher aus baurechtlicher oder mietvertraglicher Perspektive kommen. Die Fälle zeigen, dass subkulturelle Orte in Berlin oft über „Zwischenräume“, improvisierte Nutzung oder Umnutzung von bestehenden Gebäuden arbeiten, gerade weil klassische Genehmigungswege wenig flexibel sind. Das macht sie anfällig. Die Berliner Szene hat durch öffentliche Debatten zwar mehr Sichtbarkeit; das mildert nicht den Druck, aber bringt mehr Öffentlichkeit und potenziell mehr Lobbying möglich.

Gründe für das Aus des Endlos: Finanzielle, emotionale und strukturelle Erschöpfung

Laut offizieller Stellungnahme ist der Weg zur Schließung ein Zusammenspiel mehrerer Faktoren — nicht ein einziger Auslöser:

  • Rückgang der Besucherzahlen: Die Nachwirkungen der Pandemie, Inflation und geringere Kaufkraft haben reale Spuren hinterlassen.
  • Mangelnder politischer & finanzieller Rückhalt: Die Betreiber kritisieren, dass Clubs kaum auf Fördergelder zugreifen können und im kulturellen Diskurs häufig übersehen werden.
  • Behördliche Hindernisse & Genehmigungsdruck: Der Alltag eines solchen Projekts ist oft geprägt von Kämpfen um Lärmgrenzen, Ausstattung, Auflagen oder Nachbarschaftsklagen. Ein Interview mit einem Mitbegründer spricht davon, dass der Betrieb „immer wieder Steine in den Weg gelegt“ bekommen habe, etwa durch eine Untersagung der Beschallungstechnik.
  • Emotionale Erschöpfung: In den Abschiedstexten klingt deutlich mit, dass die Betreiber:innen nicht nur finanziell, sondern menschlich bis an die Grenze belastet waren. Sie nennen „Müdigkeit, Erschöpfung und Ausgelaugtheit“ als zentrale Faktoren der Entscheidung.
  • Das Gefühl, übersehen zu werden: Immer wieder wird erwähnt, dass alternative Kulturräume in politischen Debatten kaum ernst genommen werden, selbst wenn sie gesellschaftlichen Mehrwert erzeugen; etwa durch Inklusion, Selbstverwirklichung und Kulturvielfalt.

In einem lokalen Radiointerview hieß es zudem: Für das Endlos war die Corona-Zeit existenziell, man habe Überbrückungshilfen gezogen, aber diese reichten oft nur knapp. Der Konflikt mit der Stadtverwaltung und Behörden war kein neues Phänomen: Bereits vor Monaten wurde von „Behördenärger“ und technischen Auflagen berichtet, die den Betrieb erschwerten.

Aus all dem ergibt sich das Bild: Die Entscheidung zur Schließung war kein spontaner Akt der Kapitulation, sondern eine, vermutlich lange gereifte, Abwägung zwischen Idealismus und Grenzen.

Abschied mit Klang: Das letzte Jahr Programm & Symbolkraft

Die Betreiber:innen wollen die verbleibende Zeit nutzen, um ein Abschiedsprogramm zu gestalten, das dem Geist des Endlos gerecht wird — nicht lautlos, sondern in Klang und Gemeinschaft. Laut Groove soll das Aus im April 2026 erfolgen, allerdings kündigt der Club selbst den Abschied für Ende Februar 2026 an. Ein erstes Closing ist für den 28. November 2025 angekündigt, weitere Events folgen Anfang 2026.

Diese Abschiedsphase wird nicht nur eine Partyreihe, sie ist letzten Endes ein Versprechen: ein kollektives Erinnern, ein Manifest gegen das Verschwinden von Orten, die Kultur eher ermöglichen als vermarkten. Bis zum letzten Beat soll gefeiert, reflektiert und sichtbar gemacht werden, was dieser Ort für viele bedeutete. Was mit dem Gelände danach passiert, ist offen. Der Schlussakt wird weniger ein Punkt als ein Fragezeichen sein, wie so oft, wenn Kulturräume weichen müssen, ohne dass die Nachfolge geklärt ist.

Bedeutung für Halle und darüber hinaus: Ein Stück Subkultur stirbt

Der Abschied von Station Endlos ist symptomatisch für eine bundesweite Tendenz: In Städten verschwinden Freiräume, die Kultur nicht nur konsumieren, sondern produzieren. Die Clubs, die nicht primär kommerzielle Rendite abwerfen, sind besonders gefährdet. In Berlin, Leipzig, Dresden oder Köln war in den letzten Jahren von Clubschließungen, steigenden Mieten oder Verdrängung zu lesen, Halle verliert nun einen seiner letzten experimentellen Leuchttürme.

Für Halles subkulturelle Szene ist das mehr als ein Standortverlust: Es ist ein kulturelles Trauma. Ein Ort der Zugehörigkeit, der Selbstorganisation und der ästhetischen Grenzüberschreitung geht. Für viele war das Endlos nicht nur Veranstaltungsort, sondern Familie, Labor und Heimat zugleich.

Politisch sendet die Schließung ein Alarmsignal: Wenn Räume wie diese nicht als Teil urbaner Infrastruktur verstanden werden, und gesichert werden, dann drohen Städte, ihre kulturelle Vielfalt zu verengen. Es braucht Konzepte, die Freiräume stärken, nicht nur refinanzieren.