1. Hey Rich und vielen Dank für deine Zeit. Hamburg ist ja dein aktueller Wohnort, warum Hamburg?
Vielen Dank für die Einladung zu dem Interview – die Zeit dafür nehme ich mir natürlich sehr gerne. Also eigentlich komme ich ja von einem klitzekleinem Dorf in Mecklenburg. Vor ungefähr 14 Jahren zog meine damalige Lebenspartnerin beruflich nach Hamburg und aufgrund dessen hat es mich zwangsläufig auch dorthin verschlagen. Aber, da ich zu dem Zeitpunkt noch nicht so wirklich viel mit Hamburg anfangen konnte und eigentlich
eine viel stärkere Verbundenheit mit Berlin hatte, muss ich gestehen, dass der Umzug damals nur widerwillig und unter Tränen geschah. Rückblickend betrachtet, war dieser Weg aber der Richtige. Denn wer weiß, was in Berlin aus mir geworden wäre. Im Nachtleben der Partyhauptstadt kann man sich ja deutlich schneller und döller
verlieren als in der hiesigen, vergleichsweise eher überschaubaren Szene.
Ich sage ja gerne: „Hamburg takes care of you and Berlin is destroying“
Hoffentlich ecke ich mit diesem Selbstzitat, bei den Berliner Lesern nicht zu
sehr an.
2. Wie bist du auf deinen Namen „Rich vom Dorf“ gekommen?
Das war irgendwie eine ganz doofe Spontangeburt, als ich ende der Neunziger meine erste Emailadresse anmeldete. Ich heiße Richard, meine Freunde nannten mich Rich, aber rich@xyz.com war natürlich schon vergeben. Da hab ich halt einfach den Namen durch meine Herkunft ergänzt und das dann später einfach so beibehalten. An sich wirkt der Name auf den ersten Eindruck vielleicht ein bisschen – ähmmm – plump. Andererseits ist er, da er so ungewöhnlich ist, aber eben auch sehr einprägsam. Steht übrigens so als Künstlername in meinem Ausweis.
3. Was hat dich bewegt Musik zu machen?
Das Musik machen war eigentlich keine bewusste Entscheidung von heute auf morgen, sondern eine langjährige organische Entwicklung, die mich bis zum heutigen Punkt geführt hat. Ich erinnere mich noch oft daran, wie ich als kleiner Junge, kurz nach dem Fall der Mauer, bei meinem Cousin vor der Zimmertür stand und diese vibrierte. Als
ich rein ging wusste ich überhaupt nicht was da los war. Da lief ganz krasser Hardcore und ich war einfach nur geflasht. Was passiert hier? Was ist das? Wie, das ist Musik??? Da war es um mich geschehen und daraufhin hab ich alles was mit elektronischer Musik zu tun hatte aufgesaugt wie ein Schwamm, „Raveline“ und „Frontpage“ abonniert, Flyer gesammelt wenn die Eltern im Bett waren, im Wohnzimmer über Satellitenempfang Sets auf dem englischen Sender „Radio1“ mitgeschnitten, wenn ich in Berlin war habe ich verrückte Acid Sendungen auf „Kiss Fm“ aufgenommen und in meinem Zimmer die Nächte mit den Sendungen von „Radio Fritz“ verbracht. Zum Glück konnte man Fritz auch in Mecklenburg empfangen, denn der wöchentliche „Rave Satellite“ von „Marusha“ war für mich eine der prägendsten Institutionen meiner Jugend. Die Sommerferien verbrachte ich meistens bei meinem Bruder in Berlin und war daher schon mit 15 das erste Mal auf der Love Parade. Nur ein Jahr später stand ich dann tanzend im Tresor und im E-Werk. Da hatte ich das Glück, dass ich einen Reporter kennen lernte, der mich trotz meines viel zu jungen Alters mit in die Läden brachte. Zu der Zeit war ich ein kleines ravendes Landei, das wann immer es möglich war, dem Landleben entfloh um im Klang der Hauptstand abzutauchen. Mit 18 fing ich an kleine Partyreporte für die Raveline zu schreiben und kaufte meine erste Groovebox. Dann bewegte ich mich viele Jahre in der Netaudio Szene und machte anfangs noch ohne theoretisches Wissen, sehr experimentelle Musik.
Meinen ersten öffentlichen Gig hatte ich 2005 auf der Dubstation des Fusion Festivals.
Dann kam der Umzug nach Hamburg und ich bekam hier direkt eine Residency in einem kleinem Kiez Club, dem „BKI“. Dort Wochenende für Wochenende oft nächtelang zu spielen, war eine harte, aber lehrreiche Schule. 2011 folgten die ersten Eigenveranstaltungen im Docks und von da an ging es dann auch überregional los. Auf einmal stand ich fast jedes Wochenende in einem anderen Club der Republik an den Decks, kündigte kurz darauf meinen Job als Grafiker und setzte den Fokus komplett auf die Musik. Mittlerweile bin ich damit nun schon acht Jahre Hauptberuflich selbstständig. Mal mehr, mal weniger erfolgreich, aber so gesehen meinen damaligen Teenagertraum lebend und darüber bin ich total glücklich und auch ein wenig stolz :)
4. Deine Musik ist sehr emotional und mit vielen Elementen bestückt, hast du eine bestimmte Mission die du dir auf die Kappe geschrieben hast?
Die Mission ist ganz klar, den Menschen ein wohliges Gefühl zu geben und die Welt damit vielleicht ein kleines bisschen schöner zu machen. Wenn meine Sets oder Tracks das schaffen, bin ich ein glücklicher kleiner Rich.
5. Was muss ein Track für dich besitzen um perfekt zu sein, bzw. was bedeutet für dich perfekt?
Hmmm… Das ist keine leicht zu beantwortende Frage. In gewisser Weise bin ich bei meinen Eigenproduktionen zwar immer auf der Jagd nach Perfektion, aber viele meiner Tracks sind eigentlich oft nicht wirklich perfekt. Wiederum finde ich Unperfektheit oft auch perfekt. Das ist an sich vielleicht ein Widerspruch, aber am Ende zählt welche Wirkung die Musik erzeugt. Wenn ein Track emotional bewegt, er eine Gänsehaut bereitet oder vielleicht sogar eine Träne kullern lässt, dann ist er auf jeden Fall total perfekt, auch wenn er unter Umständen nicht extrem highend durchproduziert ist.
6. Was hast du an Projekten und Releases für dieses Jahr geplant?
Vor kurzem kam einer meiner Tracks auf einer Compilation des britischen Labels Wired. Neben Nicone, Bondi und Dirty Doering ist er dort in echt guter Gesellschaft. Auf der diesjährigen „Zug der Liebe“ Compilation bin bin ich mit einer Collaboration zwischen mir und „Drauf & Dran“ dabei.
Aktuell tummeln sich drei meiner Tracks in den Traxsource Progressive House Charts. Einer davon hat es sogar bis hoch auf Platz sechs geschafft. Ansonsten arbeite ich ganz hart daran mein kleines Label „Tächno“ weiter auszubauen, da wird es im Laufe des Jahres noch so einige neue Richtracks geben.
7. Wie hast du die Corona-Beschränkungen verbracht?
Da sich Studio und Office in meiner Wohnung befinden und ich ein kleiner Workaholic bin, stand ich so gesehen auch schon vor Corona unter natürlicher Quarantäne. Aber die Wochenenden, an denen ich sonst unterwegs war, fehlen mir sehr sehr doll, denn die waren der Ausgleich zu meinem normalen Arbeitsalltag. Ich bete sooooo sehr, dass sich das endlich wieder ändert und wir bald wieder ausgelassen und frei feiern können.
8. Wie lässt du ein langes Wochenende ausklingen?
Das kommt immer ganz darauf an wie wild das Wochenende war. Meistens bin ich ja mit der Bahn unterwegs. Da kann ich dann schon auf der Heimfahrt gut entspannen und werkel nach der Ankunft oft schon wieder an einem Track. Aber so grundsätzlich, auf dem Sofa, in der Badewanne, mit gutem Essen und Sonntagabend Tatort schauen.
9. Was war dein schönstes Erlebnis auf einem Gig?
Es gab in den letzten Jahren so viele unvergessliche Party-Momente und daher fällt es mir nicht leicht zu sagen welcher davon der Schönste war. Grundsätzlich ist es immer und immer wieder voll schön, wenn Leute nach einem Gig zu mir kommen, sich mit leuchtenden Augen bedanken und mir eine herzliche Umarmung geben. Wenn ein Set wirklich schön war, dann riecht und sieht man mir das auf jeden Fall an. Denn dann bin ich zersaust und klitschnass durchgeschwitzt wie nach hartem Sex. Und ein vergleichbares euphorisches Wohlgefühl durchströmt mich dann auch :)
10. Was bedeutet Berlin für dich?
Wie in den vorherigen Antworten vielleicht schon durchkam, hatte Berlin musikalisch gesehen einen stark prägenden Einfluss auf mich und zum Auflegen bin ich immer sehr gerne bei euch zu Besuch. Aber irgendwie ist es mir kleinem Spießer dort mitlerweile zu wild. Eine Wochenenddosis Hauptstadtluft finde ich definitiv total toll,
aber das ist dann auch schon ausreichend. Mein Herz gehört ganz klar in die Hansestadt, hier fühl ich mich zu
Hause.
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