Motivation und Mission: Was hat Sie dazu inspiriert, das PANDAwomen Festival ins Leben zu rufen, und welche Mission verfolgen Sie mit dieser Veranstaltung?

PANDA platforma hat einen wichtigen Schwerpunkt auf die Post-Ost-Kultur- und Community. Für uns war es immer offensichtlich, dass Frauen in der osteuropäischen Musikszene noch stärker unterrepräsentiert sind als im Westen. Das wollten wir mit PANDAwomen ändern, das uns als Herzensprojekt auch zwischen den Jahren inhaltlich und emotional tief beschäftigt. Es war daher eine bewusste Entscheidung, dafür keine klassische Festivalform, sondern sieben aufeinander folgende Freitage auszuwählen – so hat das Publikum Zeit, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen, und wir auch. Das PANDA platforma feiert in diesem Jahr seinen 15. Geburtstag; das Festival begleitet uns also schon unser halbes PANDA-Leben lang. In diesem „Jubiläumsjahr“ wollten wir uns deshalb an die schönsten Momente der Festivalgeschichte erinnern und laden Musikerinnen ein, die fürs PANDAwomen besonders wichtig waren und es noch sind. Am 8. November startet das 7. PANDAwomen mit einem außergewöhnlichen Konzert, das die kraftvollen Stimmen iranischer Frauen in der Musik feiert.

Themen und Herausforderungen: Inwiefern spiegeln die ausgewählten Künstlerinnen die aktuellen Herausforderungen wider, mit denen Frauen in der Ost-Europäischen Musikszene konfrontiert sind?

Viele PANDAwomen-Künstler*innen kommen aus Ländern, aus denen sie zwischenzeitlich fliehen mussten, darunter Belarus, Ukraine oder Russland. Das hat uns dazu bewegt, das ganze 2023-Festival Frauen mit Fluchterfahrungen zu widmen. Oft sind es Musiker*innen, die nicht nur ihre Heimat, sondern auch ihre Bühnen und ihr Publikum verloren haben. Sie sind nicht nur durch das männlich dominierte Showbusiness benachteiligt, sondern durch die aktuellen politischen Entwicklungen und Konflikte. Wir haben aber auch über die Jahre den geografischen Fokus geweitet: 2023 hatten wir auch Künstlerinnen aus Syrien, Afghanistan und dem Iran zu Gast.

Empowerment durch Kunst: Wie glauben Sie, dass das Festival zur Stärkung von Frauen und zur Sichtbarkeit ihrer Geschichten beiträgt?

Für Musikerinnen auf der Flucht, die oft komplett neu anfangen müssen, ist es enorm wichtig, einen Ort, eine Struktur zu finden, die für sie offen ist. Unser Hauptziel ist, sie dabei zu unterstützen. Meistens haben sie mit sprachlichen Barrieren zu kämpfen, kennen keine Veranstalter*innen, ihr Publikum ist auch auf der Flucht und schwer zu erreichen. All diese Probleme kann frau nicht allein lösen – aber zusammen mit unserem aktiven und motivierten Team können wir auf jeden Fall daran arbeiten, die Situation zu verbessern. Und entsprechend freuen wir uns auch schon auf die insgesamt 17 Musiker*innen aus Georgien, Belarus, dem Iran, Tatarstan, Polen, der Ukraine, die an sieben Freitagen zwischen dem 8.11. und dem 20.12. beim PANDAwomen spielen.

Künstlerische Vielfalt: Welche Kriterien verwenden Sie bei der Auswahl der Künstlerinnen, und wie stellen Sie sicher, dass verschiedene kulturelle Perspektiven repräsentiert werden?

Für die Auswahl ist die künstlerische und musikalische Qualität von zentraler Bedeutung. Hip-Hop aus der Ukraine, Folk aus dem Iran, Elektronik aus Belarus – uns geht es auf jeden Fall darum, die besten Künstlerinnen auszuwählen und dabei im Idealfall auch zeigen zu können, wie vielfältig Musikszenen vor Ort sind. Aber wir wissen natürlich bei der Auswahl auch, dass die Künstlerinnen auch ihre Erfahrungen künstlerisch verarbeiten und sie diese Erfahrungen in ihre PANDA-Auftritte einbringen – und wir finden es gut, dass wir so auch ein Augenmerk auf die politischen Situation(en) in den jeweiligen Ländern lenken können.

Bedeutung der Gemeinschaft: Welche Rolle spielt die Gemeinschaft bei der Unterstützung des Festivals und der Künstlerinnen, die daran teilnehmen?

Gemeinschaft ist ein Begriff, der sehr unterschiedlich interpretiert und verstanden werden kann. Darunter könnte man beispielsweise Minderheiten verstehen, die in Berlin leben, beispielsweise die tatarische Community, die dann das Konzert einer tatarischen Künstlerin besucht. Das ist schön und passiert auf jeden Fall, aber wir wollen den Begriff Gemeinschaft tatsächlich gern größer fassen: Wir verstehen es als eine der wichtigsten Aufgaben des PANDA platforma, Grenzen zwischen den Communities – die manchmal zu hermetischen Bubbles werden – zu öffnen. Für Menschen, die da vielleicht erst einmal Berührungsängste haben oder bisher nur Zugang zu den Angeboten für ihrer jeweiligen Communities haben, kann unser PANDAwomen Festival hoffentlich als eine Art Zauberinstrument funktionieren, das dabei helfen kann, etwas Neues zu sehen und gesehen zu werden.

Zukunftsperspektiven: Welche langfristigen Ziele verfolgen Sie mit dem PANDAwomen Festival, und wie möchten Sie dessen Einfluss in der Musikszene weiter ausbauen?

Es fällt uns etwas schwer, in den Zeiten von Haushaltssperren und Mittelkürzungen weiter zu träumen und langfristige Ziele zu setzen. Wir hoffen dennoch, dass unser Festival auch in der Zukunft bestehen wird, da nicht davon auszugehen ist, dass sich die Lage von Frauen in der Musikbranche bald grundlegend verbessert. Wir können uns aber auch vorstellen, zukünftig nicht nur die Musikbranche, sondern auch andere Künste miteinzubeziehen und so PANDAwomen noch breiter aufzustellen. Im Grunde fangen wir schon in diesem Jahr damit an, da zwei Ausstellungen – von einer russischen Malerin und von einer internationalen Künstlerinnengruppe – die Konzerte einrahmen werden.  

Erfahrungen der Künstlerinnen: Können Sie uns von einer besonders bewegenden Geschichte einer teilnehmenden Künstlerin erzählen, die die Mission des Festivals verkörpert?

Während des Krieges, den Russland seit 2014 gegen die Ukraine führt, haben wir das PANDAwomen zweimal der Ukraine gewidmet: 2019 und 2022. Beim zweiten Festival war „Fo Sho“ dabei, ein Schwestern-Trio. Ihre Eltern, äthiopische Juden, mussten bereits vor Jahrzehnten aus Äthiopien in die Ostukraine fliehen. 2022 war die ganze Familie nun wieder auf der Flucht, diesmal aus Charkiv. Mittlerweile leben sie bei Stuttgart, haben viele Höhen und Tiefen durchmacht, sprechen super Deutsch und singen weiter. Dieses Hip-Hop-Trio ist für mich ein Vorbild in Sachen Lebenskraft und ein Sinnbild der Kraft des musikalischen Widerstands.

8.11Iranian Female Sounds
15.11Anushka Chheidze & Natalie (Tusia) Beridze
22.11Sveta Ben / Chikiss / Mustelide
29.11TATAR KYZ:LAR
6.12Petra Nachtmanova, Valentina Bellanova, Ceyhun Kaya
13.12FO SHO 
20.12AIGEL