In einem Bezirk, der seine Subkultur fast vollständig verloren hat, soll nun ein neuer Club entstehen. Der Knaack kehrt zurück. Und schon jammern Szenebetreiber aus Kreuzberg über „Verdrängung“. Dabei bräuchte Prenzlauer Berg den Knaack dringender als ein weiteres Yoga-Studio. Aber ist Berlin überhaupt noch in der Lage, Großkultur zu beherbergen? Zwischen Bezirksamt, Lärmschutz und Szeneverdrängung steht nicht nur ein Gebäude sondern die Frage, was Clubkultur in dieser Stadt überhaupt noch darf.

Fakt ist: Der Knaack war das erste prominente Opfer des Berliner Clubsterbens. Der Knaack, der die DDR überlebte, an Gentrifizierung scheiterte und nun als Kulturtanker in einer Tram-Wendeschleife reinkarniert werden soll. Es machen im Pberg nur noch komische Läden auf und viele andere machen zu. Icon, Klub der Republik, Steinhaus, Casino II, Deep, Bastard und Knaack… alle sind weg, aber der Knaack Club war lange lange vor allen anderen da. Er existierte von 1952 bis 2010. (Der Duncker Club hält sich wacker, aber sonst ist da nur gähnende Leere im Amüsiergewerbe.)

Bereits 2013 wurde ein Erbbaurechtsvertrag verhandelt, eine Wiederöffnung war für 2016 im Gespräch. Seitdem existiert ein Vorhaben, das Grundstück Ecke Eberswalder/Bernauer Straße, nördlich des Mauerparks, mit dem Ziel, dort wieder ein multifunktionales „Kulturhaus Knaack“ zu errichten. Wir reden hier also von einer Zeitspanne von 18 Jahren bis zum geplanten Opening 2028.

Foto: Berlinblog / Steffen Pletl / Flairberlin

Knaack – Geschichte eines Mythos

Der Knaack-Club ist kein x-beliebiger Laden, sondern ein Teil der Berliner DNA. Gegründet 1952 als Jugendfreizeitzentrum der FDJ, war das Knaack in der Greifswalder Straße 224 eine der wenigen Adressen in Ost-Berlin, wo Pop- und Rockmusik (halb)offiziell stattfinden durfte. Unter dem Label „Haus der Jungen Talente“ wurde hier schon zu DDR-Zeiten getanzt, gecovert, gebechert. Legal, aber immer am Rand der kulturellen Toleranz.

Nach dem Mauerfall wurde aus dem Jugendclub ein vierstöckiges Club-Konglomerat mit Konzerten, Karaoke, 80s-Partys und Indie-DJ-Abenden. Wer in den 2000ern in Prenzlauer Berg jung war, war irgendwann im Knaack, sei es zum ersten Date, auf einer Schulparty oder betrunken bei Selig live. 2010 war Schluss. Grund: Lärmbeschwerden aus einem neu errichteten Wohnhaus nebenan. An dieser Stelle ein herzliches FCK YOU an die Jack Wolfskin Softshelljacken in urbanen Wanderschuhen.

Eine Planung, die fast so alt ist wie BER

Seit der Schließung geistert die Idee eines Knaack-Revival durch Berlin, mal als private Initiative, mal als Versprechen auf Bezirksflyern. Schon 2016 berichteten Magazine, dass der Club angeblich an der Eberswalder Straße neu entstehen solle. Passiert ist nichts. In den folgenden Jahren wurde dann das Gelände an der Wendeschleife der M10, Ecke Eberswalder/Bernauer Straße, ins Auge gefasst. Ein strategisch perfekter Spot: Direkt am Mauerpark, sichtbar, erschlossen, aber eben auch inmitten eines Wohnumfelds voller Sensibelchen, die lieber Wecken statt Wumms wollen.

2025: Das Comeback – oder doch nicht?

Im Frühjahr 2025 beschloss die BVV Pankow offiziell: Das neue Knaack darf an der M10-Wendeschleife entstehen. Geplant ist ein drei- bis vierstöckiges Kulturhaus für bis zu 1.000 Personen, mit Club, Konzerten, Kino, Ateliers, Proberäumen, Shops und Dachterrasse. Träger: die Knaack Kulturhaus GbR rund um Ex-Betreiber Udo Petter.

Doch die Euphorie ist schon wieder verflogen.
Denn:

  • Der Bauvorbescheid ist ausgelaufen, neue Genehmigungen brauchen Zeit. Das ist soooo Berlin, ey!
  • Der Erbbaurechtsvertrag mit dem Bezirk ist noch nicht unterschrieben, denn das kann nur zum siebtem Mond unter dem fallenden Stern des Auris geschehen.
  • Die BVG sorgt sich um Sicherheit. Besucherströme und Straßenbahnbetrieb kollidieren. Aber sie nimmt nicht mal die Tram aus dem verkehr, wenn der Zug der Liebe seine Demo dort aufbaut… Nun ja.
  • Anwohner*innen laufen Sturm gegen befürchteten Lärm, Außengastronomie und Verkehr. Wo sind denn all die fetzigen Ideen und Pläne der Clubcommission, die dabei helfen sollen zu moderieren?
  • Und sogar andere Clubs wittern Gefahr. WHUUUT?

Jupp. Die Wiederkehr des Knaack ruft nicht nur Nostalgiker auf den Plan, sondern auch Mahner aus der Szene. Vor allem Betreiber*innen von Clubs wie Lido, Astra oder Festsaal Kreuzberg äußerten jüngst Kritik: Zu groß, zu öffentlich, zu ambitioniert – man fürchtet „Verdrängung durch Subventionskultur“. 1.000 Besucher*innen Kapazität ist mehr als doppelt so viel wie früher. Die Knaack GmbH erhält ein öffentlich gepushtes Filetgrundstück, andere Clubs kämpfen ohne Förderung ums Überleben. Der Standort „am Mauerpark“ verspricht hohe Sichtbarkeit aber auch Touristisierung und damit einen Verlust an Szenenähe. Ziemlich ironisch, dass ausgerechnet die Touristen jetzt zum Feindbild werden, während ohne sie die Clubs wirtschaftlich kaum überleben. Und trotzdem wird beim Knaack so getan, als würde da plötzlich Disney Land am Mauerpark gebaut.

Der Vorwurf: Das neue Knaack könnte als Prestigeprojekt durchgehen, das wenig mit Subkultur zu tun hat, aber viel mit Baupolitik und Standortmarketing. Oder wie es ein Betreiber im Tagesspiegel formulierte: „Das wird ein Museum mit Eintrittskarte.“

Doch das wirkt seltsam vorgelagert. Diese Clubs befinden sich nicht im Einzugsgebiet des Knaack, sondern in anderen Bezirken mit völlig eigener Dynamik. Während Kreuzberg weiter floriert, ist Prenzlauer Berg seit Jahren kulturell entkernt: Das Steinhaus ist Geschichte, das Icon längst abgerissen, und die Kulturbrauerei spielt kommerziell in einer ganz anderen Liga. Bleibt nur das Duncker, das sich eher als Kiez-Institution denn als Musikclub versteht.

In diesem Kontext ist das neue Knaack keine Konkurrenz, sondern ein letzter Rettungsanker. Ein Versuch, in einem von Eigentumswohnungen und Brunch-Höllen dominierten Viertel wieder so etwas wie kulturelle Energie zu verankern. Und während Berlin in den letzten Jahren lieber Paläste der Republik abgerissen hat, als neue Räume für subkulturelle Praxis zu schaffen, markiert das Knaack einen Sinneswandel… zumindest auf dem Papier. Da muss man trotz allem realistisch bleiben. Aber hier wird mal nicht verdrängt, sondern nachverdichtet, und zwar kulturell statt kommerziell. Ein neuer Fixpunkt für den kulturell ausgedünnten Prenzlauer Berg. Wer jetzt schon über Lärm und Konkurrenz jammert, hat vergessen: Der Kiez ist kein Museum, sondern braucht dringend neuen Puls.

Fazit:

Das Knaack steht letztlich exemplarisch für die zentrale Frage in Berlin: Darf Clubkultur wachsen oder nur überleben? Auf der einen Seite kämpft die Stadt mit Recht für Clubbestandsschutz, Nachtbeauftragte und Lärmtoleranz. Gleichzeitig verschwinden DIY-Spaces, kleine Venues, Offlocations nicht wegen mangelnder Kreativität, sondern wegen Mietverträgen, Brandschutz oder Ordnungsämtern. Das Knaack könnte ein Leuchtturm für subkulturelle Erneuerung sein. Es könnte aber auch ein weiteres Beispiel werden für das, was passiert, wenn Clubkultur institutionalisiert, eingehegt und vermarktet wird.