Die Distillery war nicht einfach ein Technoclub, sie war das älteste Wesen der Nacht ihrer Art in den neuen Bundesländern – ein Mutterschiff elektronischer Subkultur, das sogar Berlin in Teilen übel aussehen ließ. Ihre Schließung im Mai 2023 war kein Klubende, sondern der Verlust einer kulturellen Arche. Der Abriss entstand nicht durch Misswirtschaft, sondern weil Bauentwickler Geld mitgebracht haben, und Politik das leichter fand als Gegenwehr. Der Klassiker schlechthin. Tränen folgen später. Es muss ja voran gehen, und wer die Jugend selbst nicht mehr feiern kann, blickt voll Neid auf den Hedonismus.
Historie – wieso ausgerechnet Connewitz?
- 1992 – Die Distillery startet auf einem ehemaligen Brauereihof in Connewitz. Der Name? Ironisch, weil dort nie Schnaps gebrannt wurde aber Bier war ja genug am Start
- 1995 – Umzug in die Kurt‑Eisner‑Straße. Endlich legal, aber weder mainstream noch bequem. Genau das machte sie zum Punk der Clubszene
- 2011–2019 – Der Bebauungsplan bedroht sie. Aber: Petitionen, Demonstrationen, Statements im Stadtrat – selbst Wolfgang Tiefensee (ja, der Ex‑OB) stand im Ring dafür
- 2019 plant man schon den langfristigen Umzug. Absehbar nötig für städtische Neubauten
- 29. Mai 2023 – Das letzte Mal tanzbarer Protest am alten Standort. Noch im Frühling 2024 fallen die Bagger ein
Der Club verschwand nicht einfach. Er wurde systematisch wegentwickelt.
Kulturgut gegen Neubau: Distillery als Statement
Diese Geschichte transportiert die üblichen Brüche, die uns überall im Ländle begegnen: Clubszene gegen Stadtpolitik, Subkultur gegen Entwicklercash. Das Ganze gipfelt in absurdem Realitätsverlust: Clubs gelten rechtlich nicht als Kultur, also sitzen sie mit Museen auf unterschiedlichen Ebenen.
Dazu gab es hier schon diverse Artikel:
Wir reden über Musik, Tanz, Resonanzräume und keiner erkennt den kulturellen Mehrwert? Was genau heißt keiner? Kulturverantwortliche mit Operndauerkarte und Satre Krawatte sind da genauso ANTI wie verschwitzte CDU Schützenverein Wurschtler eingestellt, wenn sich andere erheben, ihre Art von Kultur gleichstellen zu wollen. Genau deshalb ist der Kampf um die Distillery nicht nur Rückblick, sondern Dauerstrom an Relevanz. Aber nie sehe ich so richtig POWER am Start, da Druck zu machen, nicht nur über popelige Landeslobbygruppen sondern in konzertierten Aktionen deutschlandweit. Wenn ein einzelner Typ es schafft, eine bundesweite Kampagne gegen GHB auf die Beine zu stellen – ohne Club, ohne Budget, ohne Lobby – dann frage ich mich, warum es den großen Verbänden nicht gelingt, gemeinsam politische Schlagkraft zu entwickeln. Es muss doch für die regionalen Landes‑ und Städte‑Netzwerke wie
- Verband für Popkultur in Bayern e. V.
- Clubcommission Berlin e. V.
- Club Kollektiv Stuttgart e. V.
- Clubkombinat Hamburg e. V.
- Clubs am Main Frankfurt e. V.
- Clubverstärker Bremen e. V.
- Eventkultur Rhein‑Neckar e. V.
- KLUBKOMM Köln e. V.
- Klubnetz Dresden e. V.
- KlubNetz Niedersachsen e. V.
- Kulturliga Nürnberg e. V.
- Kulturring Karlsruhe e. V.
- Kulturwerk MV e. V.
- LAG Soziokultur Brandenburg e. V.
- Live Initiative NRW e. V.
- LiveKommbinat Leipzig e. V.
- PopKW e. V.
- Verband der Münchner Kulturveranstalter e. V.
ein Leichtes sein, auf bundesweiter Ebene wirklich mal Stress zu machen, und nicht nur in PMs alarmierende Zeilen an die Öffentlichkeit zu senden und zu warnen. Aber weiter im Text. Wie ging es weiter?
Der Umzug – endlich mehr Himmel, mehr Fläche
Neuer Ort: Messehalle 7 (MH7) im Alten Messegelände.
- Schon Herbst 2024 war eine Eröffnung geplant. Hat nicht geklappt
- Juli 2025: FAZE verkündet, die Wiedereröffnung stehe kurz bevor – Mitte August geplant, wenn man den Abnahmen entkommt
- DJ‑Lab bestätigt den Podcast mit Betreiber Steffen Kache, der von finalen Arbeiten an Licht, Elektrik und Brandschutz berichtet, aber warnt: Ein paar Zittertage bleiben
- Pure FM ergänzt: Die neue Location hat mehr Platz, mindestens zwei Floors, moderne Technik und sogar einen Außenbereich
- LVZ dichtet: Der neue Eröffnungstermin steht fest – „im August“ soll die Tille wieder tanzen. Konkretes Datum fehlt zwar, aber die Ansage steht
Tille 2.0 ist größer, besser gedacht aber will nicht verhehlen, dass vieles verschoben wurde. Das ist klassisches Clubruhm‑Syndrom: ambitioniert, nervös, mega wichtig. Die Distillery ist nicht nur ein Ort. Sie ist eine Wunde, eine Veränderung, ein Echo dessen, was Leipzig sein könnte, wenn man Kultur nicht nur in Klammern denkt. Die Wiedereröffnung in der MH7 ist mehr als ein Comeback. Sie ist das nächste Kapitel in der Geschichte, die Mut macht: Wer kämpfen will, der verdreht nicht die Augen, der schiebt mit Licht und Bass gegen Konformität an.